für die
Weihnachtslieder (selbst wenn sie in instrumentaler Form dargeboten werden),
für Militärmusik usw. Eine Semantik kann also in Einzelfällen durch typische
Anlässe konstituiert werden, die mit der Musik in Verbindung gebracht werden.
Eine gewisse Rolle spielt dabei auch das Instrumentarium bzw. die Klangfarbe
der Instrumente. Ein bekanntes semiotisches Problem ist, dass während eines
Konzerts etwa Jagdhörner – obschon die typischen Instrumente der Jagdanlässe –
letztlich immer nur Jagdhörner bezeichnen. Doch herrscht am Hachmannplatz
bzw. in den U-Bahnhöfen keine Konzertsituation. Die Musik erklingt hier als
Medienmusik.
Wie bei aller Tonträger- und Radiomusik ist das »optische Band« abgeschnitten, das Kommunikat ist rein akustischer Natur. Daher schlage ich vor, diese semantischen Sonderfälle durch den Begriff »Image« zu spezifizieren. »Image« meint hier nicht die Schnittmenge der z. B. durch Marktforschung ermittelten, sprachlich kodierten Assoziationen zur Musik. Hier ist der Begriff wortwörtlich zu verstehen: Er meint das fehlende optische Band jenes zugrunde liegenden Anlasses, während dem die Musik (nach Meinung des Rezipienten) normalerweise erklingt. So evoziert der Hochzeitsmarsch, erklingt er in Form eines rein akustischen Zeichens, recht genau die Referenz auf »Images« einer Hochzeitszeremonie, ein in unserem Kulturkreis höchst vertrautes Ritual. Die Tatsache, dass nicht nur dieses Ritual allgemeine Bekanntheit genießt, sondern auch die Musik als ein fester Bestandteil darin, verleiht dem Hochzeitsmarsch, erklingt er als losgelöstes akustisches Zeichen, eine quasi indexikalische Qualität. Die »Images« ganzer Musikgenres sind um einiges ambivalenter. Die Werbung macht sie sich beispielsweise zu Nutzen. Genauer gesagt findet ein wechselseitiger Imagetransfer statt, denn die ständige Wiederholung der Werbespots, die ja selbst rituelle Züge trägt, liefert neue Bilder zur Musik gleich mit. So mutet es heute beinahe wie eine Selbstverständlichkeit an, dass ein an Reggae angelehnter Werbesong für ein tropisches »Bacardi-Feeling« wirbt. Diese Bilder, letztlich reine Klischees, verlieren jedoch umso mehr an Bedeutung, je vertrauter den Rezipienten die Musik wirklich ist. Um kurz beim Beispiel Reggae zu bleiben: für die meisten Europäer dürfte das Image der Musik entscheidend geprägt worden sein durch die mediale Präsentationsweise. Aber nicht nur die Etablierung einer aktiven europäischen Reggae-Szene in den letzten zwanzig Jahren, auch jegliche persönliche Aneignung der Musik über Tonträger eröffnet ihr viel tiefer gehende Bedeutungsdimensionen, so dass Reggae-Fans für das flache Image des »Bacardi-Feelings« allenfalls ein müdes Lächeln übrig haben dürften. Mag ein Image klassischer Musik vielleicht in der Vergangenheit fast ausschließlich bestimmt gewesen sein von den rituellen Zügen des bürgerlichen Konzertlebens, so ist in den letzten Jahren auch hier ein Wechsel deutlich. Denn das Image der anspruchsvollen Hörsituation eines klassischen Konzertes, auch geprägt durch Triebreduktion und eine gewisse Körperlosigkeit102
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