harmonischer wie
anspruchsloser Mix aus mehr oder weniger bekannten Einzelsätzen und kurzen Stücken,
der gleichzeitig an vielen anderen Orten ebenfalls als Hintergrundbeschallung fungiert.
Auf dieser Betrachtungsebene hat die Musik ihre Zeitgebundenheit verloren.
Begnügen wir uns deshalb nun mit dem weit gefassten, umgangssprachlichen
Klassik-Begriff. Markiert diese »environmental music« hier etwa »bürgerliche
Schutzgebiete«? Appelliert sie an ein »gutes Betragen«, vermittelt sie etwa bestimmten
»Randgruppen« das Gefühl, in diesen Bereichen nicht erwünscht zu sein? Warum
steht die klassische Musik in der vorliegenden Vermittlungsweise (z. B. in der
Presse) überhaupt unter Verdacht, all dies zu bewirken, im Gegensatz etwa zum
arbeitslosen Violinisten, der in der Fußgängerzone aus Vivaldis »Vier Jahreszeiten«
vorträgt?
Theorien über eine Zeichenhaftigkeit (Semiotik) bzw. Vermittlung von Bedeutung
(Semantik) der Musik haben schon eine recht lange Tradition. Von Interesse ist auch
eine Sprachähnlichkeit der Musik, etwa in der Auffassung der Musik als eine
»Klangrede«99
Vgl. auch Harnoncourt, Nikolaus: Musik als Klangrede: Wege zu einem neuen
Musikverständnis, München 1986.
|
oder als eine »Sprache der Gefühle«. In der Tat gibt es Parallelen. Wie die
Sprache existiert die (notierte) Musik gleichfalls als Niederschrift, wie auch als
akustische Form. Wie die Sprache kann die Musik als Kommunikation aufgefasst
werden. Doch während in der Sprache denotative Bezeichnungen möglich sind,
kennt die Musik nur konnotative Verweise. Anstatt den Verlauf der Diskussion
an dieser Stelle noch einmal aufzurollen, möchte ich stattdessen den Versuch
einer eigenen, pragmatischen Deutung der entstandenen »Klassik-Zonen«
wagen.100
Überblicke und Zusammenfassungen zu verschiedenen Ansätzen sind zu finden bei Kaden
(1998), Schneider (1980), Karbusicky (1986), Großmann (1990).
|
Ausgangspunkt sind zunächst einige Sonderfälle, in denen musikalische
Zeichen recht genau auf Außermusikalisches zu verweisen vermögen. So gibt
es auch bei musikalischen Kommunikationsprozessen bestimmte Situationen,
in denen die möglichen »konnotativen Bündel« so eng geschnürt zu sein
scheinen, dass die Bezeichnung beinahe schon denotativen Charakter
hat.101
Vgl. zum Thema »Semantische Ablösung« auch Kaden (1998) 2171–2174.
|
Ein Beispiel ist der »Hochzeitsmarsch« von Mendelssohn. Schon die ersten paar Töne
dürften ausreichen, um die meisten Mitglieder unseres Kulturkreises an Heirat, Hochzeit
oder die Trauungszeremonie selbst zu erinnern. Die sprachliche Umschreibung der
möglichen Bedeutungen zeigt jedoch auch: Hier liegen die Grenzen, genauer gelingt die
Bezeichnung nicht. So bleibt sie auch in diesem Falle letztlich konnotativ, auch wenn die
Grenzen des konnotativen Feldes enger abgesteckt sind als in vielen anderen Fällen.
Voraussetzung für solch eine Deutung ist jedoch, dass der Hörer überhaupt geneigt ist,
das Zeichen als solches zu deuten. Dies ist gerade dann nicht der Fall, wenn er es in der
Kirche während einer Trauungszeremonie vernimmt, das Zeichen wäre hier
schlicht tautologischer Natur. Anders verhält es sich z. B. dann, wenn Teile des
Hochzeitsmarsches als Sample zu Beginn des Songs »If I Was Your Girlfriend« von
Prince erklingen oder wenn sie als Bestandteil einer Filmmusik die bevorstehende
Trauungsszene vorwegnehmen. Entscheidend ist also eine gewisse Distanz zum situativen
Kontext, hier der Hochzeitszeremonie, als deren Bestandteil sie üblicherweise
erklingt. Ähnliches wie für den Hochzeitsmarsch gilt wohl beispielsweise
|