von Fahrgästen, wie etwa bei der Münchener MVG-Umfrage
ermittelt,89
lässt sich recht gut mit Heiner Gembris’ Konzept der Orientierung
interpretieren.90
Nicht gedacht als erschöpfende Theorie der Musikrezeption, versucht dieser Ansatz
jedoch Aspekte wie z. B. das emotionale Erleben von Musik zu integrieren, die
in rein kognitiven Rezeptionstheorien meist wenig Berücksichtigung finden.
Das Konzept der Orientierung will Gembris nicht missverstanden wissen als
Legitimation für eine konservative Ästhetik, so ist z. B. bei der Rezeption unbekannter
oder neuer Musik eine Orientierung auf anderen Ebenen möglich, z. B. auf
intellektueller. Das Orientierungskonzept ist eine Erweiterung des Orientierungsbegriffs,
der im Rahmen eine Psychologie der Kunst von Kreitler u. Kreitler entwickelt
wurde.91
Kreitler, H./Kreitler, S.: Psychologie der Kunst, Stuttgart 1980.
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In Anlehnung daran benennt Gembris das menschliche Grundbedürfnis nach Sinn,
Bedeutung und Verständlichkeit. Die Gratifikationen der Rezeption von Musik bestehen
auch in unmittelbar vermittelter Orientierung, welche gleichzeitig temporär ein
fundamentales Sicherheitsbedürfnis erfüllen kann. Gembris erkennt in Musik einen
vielseitigen »Aufmerksamkeitsgegenstand«, der auch bei beiläufiger Wahrnehmung – also
auch bei einem flüchtigen Durchschreiten eines U-Bahnhofs – Orientierungsfunktionen
erfüllen kann:
»Allein das
bloße Dasein von Musik als Aufmerksamkeitsgegenstand kann Orientierung
vermitteln, indem es der Aufmerksamkeit einen Halt oder Fixpunkt gibt,
z. B. in Situationen der Stille, wo aufgrund des momentanen Fehlens eines
Aufmerksamkeitsobjekts ein Gefühl der Leere und Desorientierung auftreten
kann.«92
Zumindest die musikalischen Strukturen des hier Erklingenden, die melodischen,
harmonischen und rhythmischen Prinzipien, die der Musik zugrunde liegen, dürften
als allgemein vertraut vorausgesetzt werden. Orientierung entsteht aus der
Möglichkeit heraus, »eine oder mehrere Ebenen der erklingenden Musik zu kognitiven,
motorischen, emotionalen oder sozialen Schemata des Hörers in Beziehung zu
setzen.«93
Es wird angenommen, dass die Orientierungsfunktion vor allem beim flüchtigen
Passieren des beschallten Raumes Relevanz besitzt. Ob sich nämlich daraus auch eine
Begründung für das Verschwinden der Junkie-Szene ableiten lässt – wenn man etwa das
Nicht-Gelingen der Einordnung in die sozialen Schemata der Drogensüchtigen
unterstellt – ist eher zweifelhaft. Einleuchtender erscheint es, dass bei der längeren
Rezeption Orientierung als Grundfunktion von Musik an Bedeutung verliert, und
stattdessen eher Gewöhnungseffekte zu erwarten sind, ganz ähnlich wie beim
Kaufhauspersonal, welches nach einer Weile der Musik schlicht keine Beachtung mehr
schenkt.94
Letztendlich wird man zugeben müssen, dass jegliche wissenschaftlichen Erkenntnisse
über die Folgen einer länger andauernden »Zwangsbeschallung« fehlen. Die Vorstellung
erinnert eher an unbestätigte Meldungen über »Musikfolter«, wie beispielsweise das
US-Militär in Bagdad angeblich Metallica-Songs einsetzte, um irakischen Gefangenen
Informationen zu entlocken,
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