Raums jedoch, so die These, kommt ihr der
rituelle Charakter völlig abhanden. Dies zeigt bereits ein Blick auf die erste
»Wirkungsebene«, den funktionellen »stream« des Classical-Kanals der Firma
Muzak.
6.2. WirkungsweisenIn diesem Kapitel soll der Versuch unternommen werden, die Wirkung des am Hamburger Hauptbahnhof erklingenden Classical-Kanals der Firma Muzak zu ergründen. Dies geschieht auf drei Ebenen. Zunächst soll ein Einblick in die Beschaffenheit des per digitaler Satellitenübertragung übermittelten »music-streams« gewährt werden. Auf dieser Ebene wirken Werke oder Werkfragmente der vergangenen drei Jahrhunderte zusammen als Bauteile für die täglich 24-stündige Musikübertragung der Firma Muzak. Im zweiten Schritt steht die Wirkung des »streams« als Hintergrundmusik (in der Rezeptionssituation am Hauptbahnhof) im Mittelpunkt des Interesses. Auf dieser Ebene sollen vor allem Ergebnisse aus dem Forschungsfeld der Musikpsychologie, insbesondere der Rezeptionsforschung, herangezogen werden. Auf der dritten Ebene schließlich wird gezeigt, wie die Semiotik des abgespielten »streams« zum Teil der Semiotik des beschallten Raumes werden kann. Es sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung in funktionelle Musik, Hintergrundmusik und »environmental music« zu einem gewissen Grade willkürlich ausgefallen ist. Das einzige Argument, das für diese Systematik spricht, liegt verborgen in den Konnotationen der einzelnen Begriffe, wie bereits oben erläutert.65
6.2.1. Der Classical-Kanal als funktioneller »music-stream«Zunächst einmal: warum macht es Sinn, für die Musikbeschallung am Hamburger Hauptbahnhof bzw. für den per digitaler Satellitenübertragung übermittelten Classical-Kanal der Firma Muzak den Terminus »stream« (dt. »Strom, Fluss«) heranzuziehen? Als neuartige literarische Schreibtechnik ist der Begriff »stream of conciousness« vor allem durch die Werke James Joyces bekannt geworden. Hier bezieht er sich jedoch auf den Echtzeit-Zugriff auf Audio-, Video- oder Multimedia-Inhalte im Internet oder in einem Intranet. Hier erlaubt »streaming-media« eine nahezu unmittelbare Wiedergabe der Inhalte, ohne dass die gesamte Datei auf lokalen Datenträgern gespeichert werden müsste, wie etwa beim Laden von MP3s. Übertragen wird von einem Server zu einem oder mehreren Clients. Diese Technik wird auch als »web-casting« oder »live-streaming« bezeichnet. Als »streams« abgerufen werden in der Praxis sowohl einzelne Musikstücke/Videos, als auch längere bis (theoretisch) unendlich lange Inhalte, etwa wenn ein Radiosender sein terrestrisches |