und jenen, die ihn »in der Musik
finden«.24
Vgl. Rösing/Bruhn (1997) 130f.
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Die erste Gruppe wird noch beherrscht von Motte-Habers »Geschmacksurteilen«. Die
zweite Gruppe fällt rationale Urteile, denn nichts anderes bedeutet es, »Geschmack in
der Musik zu finden«: das Gehörte wird in Beziehung gesetzt zu einem bestehenden
ästhetischen System. Die Aufwertung rational begründbarer ästhetischer Urteile
(seit Ende des 18. Jahrhunderts) geschieht nach Motte-Haber auf Kosten der
Geschmacksurteile, denn sie »entwertet den Geschmack als untrügliche Instanz für das
Schöne«.25
Überall dort, wo die bürgerliche Grundidee einer Gleichheit unter Gleichen waltet,
verortet Motte-Haber die Regentschaft der Kunsturteile. Das bedeutet jedoch
nicht, dass der Geschmack an Bedeutung verloren hätte. Denn gerade die von
der bürgerlichen Gesellschaft vollzogene Trennung zwischen öffentlichem und
privatem Leben schuf mit letzterem Schutzzonen. Diese abgeschotteten Biotope der
persönlichen Vorlieben waren »dem öffentlichen Disput« und somit jeglicher Kritik
entzogen. Letztendlich ist der Unterschied zwischen Sach- und Geschmacksurteilen
über Musik nach Motte-Haber nur ein gradueller. So könne ohne Subjektivität
keine Urteilsfindung zustande kommen. Werde dieser noch eine reflektierende
Begründung vorangestellt, so zeuge dies lediglich von einem mehr oder weniger
elaborierten Beurteilungssystem. »Das Wertsystem, gleichgültig ob es nur implizit im
Urteil gegeben oder als Theorie ausformuliert ist, fundiert das Sachurteil tief im
Emotionalen.«26
Diese Erkenntnis steht nur scheinbar im Widerspruch zu den Ergebnissen der oben
zitierten Befragung. So provozierte die »hochoffizielle« Befragungsweise Haselauers in
diesen Termini das Abgeben eines Kunsturteils und dies in einer Situation, in
der die Befragten sich nicht nur der »privaten Schutzzone« beraubt sahen,
sondern durch Kamera und Mikrofon sogar eine »mediale Potenzierung« von
Öffentlichkeit befürchten mussten, verbunden mit einem möglichen Prestigeverlust.
Entscheidend scheinen also die Umstände zu sein, aus denen heraus ein Urteil gefällt
wird.
Wurzelt der die Überlegungen einleitende »gesellschaftliche Konsens« zur klassischen
Musik also auf Kunsturteilen? Das scheint bereits die Kategorie »klassisch« mit ihren
Konnotationen von zeitloser Gültigkeit und Normgebung zu suggerieren. Unsere
gegenwärtige Praxis des Musikhörens ist gekennzeichnet von einer Unzahl von
verschiedenen Aneignungsstrategien. Dabei erfüllt eine vormals nicht gekannte Fülle
von musikalischen Genres und Spielarten in unterschiedlichen Situationen eine
Vielzahl verschiedener Funktionen. Adorno schreibt in seiner »Einführung in die
Musiksoziologie«:
»Die Frage nach
dem Verhältnis der öffentlichen Meinung zur Musik überschneidet sich mit
der nach ihrer Funktion in der gegenwärtigen Gesellschaft. Was über Musik
gedacht, gesprochen, geschrieben wird, was Menschen ausdrücklich über sie
meinen, differiert wohl vielfach von ihrer realen Funktion, dem, was sie im
Leben der Menschen, ihrem Bewusstsein und Unterbewusstsein, tatsächlich
leistet.«27
Und doch ist die Idee eines Konsens gegenüber »klassischer Musik«
nicht eine gänzlich irrationale: sie ist recht deutlich manifestiert in
der Mittelverteilung im Bereich
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