Ähnlich wie herkömmliche Wände private Räume visuell und akustisch isolieren,
befördert dieser neue Typus von Schallwänden, so Schafer, vorrangig eine Isolation der
Menschen – selbst an öffentlichen Orten (z. B. Großraumbüros), wo eine Trennung
durch »physische Wände« gar nicht mehr gegeben ist. In der »Kulturgeschichte des
Hörens« werden akustische Erscheinungen also nicht nur erfasst, sondern in Beziehung
gesetzt zu gesellschaftlichen Zusammenhängen:
»Klang ist für Schafer ein Symbol von Macht, historisch und analytisch
fragt er nach ihrer Balance. Wer produziert den Klang, wer kann ihm nicht
entrinnen?«96
Ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Klang und Macht bilden die
Kirchenglocken: zumindest in ländlichen Sphären vergangener Jahrhunderte ist in diesen
als »Klang-Monopol« gleichzeitig ein »Macht-Monopol« manifestiert. Schafer
thematisiert auch die Zeichenfunktion von Lauten bzw. die Missverständnisse , die durch
unterschiedliche Bedeutung von Lauten in verschiedenen Kontexten produziert werden
können, z. B. eine Autohupe:
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| Probelaut | Akustik | Semantik | Ästhetik |
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| Autohupe | Stationär, wiederholend; | Macht Platz! | Störend, |
| vorherrschende Frequenz | | unangenehm |
| von 512 Hertz; | | |
| 90 Dezibel | | |
| | Ich habe
geheiratet! | Festlich
aufregend |
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Ähnliche Mehrdeutigkeiten, wie sie beim Vernehmen des Signallauts der Autohupe
auftreten mögen, sind bei dem Versuch zu erwarten, die Bedeutung der
Musikbeschallung (verstanden als akustisches Zeichen) am Hamburger Hauptbahnhof zu
ergründen.97 Schafer
regt nicht nur an, die Beziehung der Lebewesen zu der sie umgebenden Lautsphäre im Rahmen einer
»Akustikökologie«98
zu untersuchen, sondern darüber hinaus durch ein bewusstes, interdisziplinär angelegtes
»Akustikdesign«99
die Qualität der akustischen Umwelt zu verbessern. Neben der Lärmbekämpfung/-dämmung
hätten diese Disziplinen die Aufgabe, Laute »vor ihrer Freigabe in die
Umwelt«100
kritisch zu prüfen bzw. durch eine einfallsreiche Platzierung attraktive Lautsphären zu
schaffen. Forderungen nach einer bewussten Gestaltung bzw. Reglementierung der
auditiven Sphäre, auch auf gesetzlicher Ebene, sind nicht neu. So formulierte
beispielsweise bereits im Jahre 1969 die General Assembly of the International Music
Council der UNESCO ihren Protest gegen die unkontrollierte Ausbreitung von
Musikberieselung:
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