- 49 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (48)Nächste Seite (50) Letzte Seite (110)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Ähnlich wie herkömmliche Wände private Räume visuell und akustisch isolieren, befördert dieser neue Typus von Schallwänden, so Schafer, vorrangig eine Isolation der Menschen – selbst an öffentlichen Orten (z. B. Großraumbüros), wo eine Trennung durch »physische Wände« gar nicht mehr gegeben ist. In der »Kulturgeschichte des Hörens« werden akustische Erscheinungen also nicht nur erfasst, sondern in Beziehung gesetzt zu gesellschaftlichen Zusammenhängen:

»Klang ist für Schafer ein Symbol von Macht, historisch und analytisch fragt er nach ihrer Balance. Wer produziert den Klang, wer kann ihm nicht entrinnen?«96

96
Werner (1990) 13.

Ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Klang und Macht bilden die Kirchenglocken: zumindest in ländlichen Sphären vergangener Jahrhunderte ist in diesen als »Klang-Monopol« gleichzeitig ein »Macht-Monopol« manifestiert. Schafer thematisiert auch die Zeichenfunktion von Lauten bzw. die Missverständnisse , die durch unterschiedliche Bedeutung von Lauten in verschiedenen Kontexten produziert werden können, z. B. eine Autohupe:





Probelaut

Akustik

Semantik

Ästhetik





Autohupe

Stationär, wiederholend;

Macht Platz!

Störend,

vorherrschende Frequenz

unangenehm

von 512 Hertz;

90 Dezibel

Ich habe

geheiratet!

Festlich

aufregend







Ähnliche Mehrdeutigkeiten, wie sie beim Vernehmen des Signallauts der Autohupe auftreten mögen, sind bei dem Versuch zu erwarten, die Bedeutung der Musikbeschallung (verstanden als akustisches Zeichen) am Hamburger Hauptbahnhof zu ergründen.97

97
Vgl. Kapitel 6.2.3.
Schafer regt nicht nur an, die Beziehung der Lebewesen zu der sie umgebenden Lautsphäre im Rahmen einer »Akustikökologie«98
98
Vgl. Schafer (1988) 311.
zu untersuchen, sondern darüber hinaus durch ein bewusstes, interdisziplinär angelegtes »Akustikdesign«99
99
Vgl. Ebd.
die Qualität der akustischen Umwelt zu verbessern. Neben der Lärmbekämpfung/-dämmung hätten diese Disziplinen die Aufgabe, Laute »vor ihrer Freigabe in die Umwelt«100
100
Ebd.
kritisch zu prüfen bzw. durch eine einfallsreiche Platzierung attraktive Lautsphären zu schaffen. Forderungen nach einer bewussten Gestaltung bzw. Reglementierung der auditiven Sphäre, auch auf gesetzlicher Ebene, sind nicht neu. So formulierte beispielsweise bereits im Jahre 1969 die General Assembly of the International Music Council der UNESCO ihren Protest gegen die unkontrollierte Ausbreitung von Musikberieselung:


Erste Seite (i) Vorherige Seite (48)Nächste Seite (50) Letzte Seite (110)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 49 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum