- 46 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum 
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ihn eine »Theorie der Wirkungslosigkeit von (Hintergrund-) Musik« formulieren ließ. Dabei scheint der Anteil von Studien mit nicht-signifikanten Ergebnissen in den letzten Jahren gestiegen zu sein:

»1. Exakt ein Drittel (51) der verfügbaren 153 Studien kann keine generellen Effekte der Musik belegen, wäre auf den ersten Blick also im Sinne von Wirkungslosigkeit zu interpretieren.
2. Während die Anzahldieser Studien bis 1989 bei jeweils knapp 30 % liegt, steigt sie in den 90er Jahren auf knapp 50 %.«85

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Behne (1999) 10.

Zu den übrigen Studien (mit signifikanten Ergebnissen) zählen auch jene, die eine negative Wirkung der Hintergrundmusik ausmachen konnten (z. B. Umsatzrückgang im Kaufhaus) oder komplexe bzw. nur sehr schwache Wirkungseffekte nachweisen konnten. Angesichts dessen mutet die Zahl der nicht-signifikanten Ergebnisse in der Tat recht hoch an. Darüber hinaus nimmt Behne an, dass eine große »Dunkelziffer« an Studien mit nicht-signifikanten Ergebnissen aus verschiedenen Gründen gar nicht erst publiziert wurde. Zu den angeführten Gründen hierfür zählt eine angenommene »H-Null-Beschämung«, die einen Forscher wohlmöglich bewegt, eine Studie ohne Ergebnis nicht zu veröffentlichen. Des Weiteren mag der publizistische Auswahlprozess eine Veröffentlichung verhindern, insbesondere in Fällen, in denen Forschungsarbeiten von den Anbietern funktioneller Musik selbst in Auftrag gegeben wurden.86

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Vgl. Behne (1999) 11f.
Als Erklärung für die immer häufiger beobachtete Wirkungslosigkeit führt Behne Habitualisierung an, resultierend aus der Allgegenwärtigkeit von Musik im Alltag. Im Anschluss daran regt er die Frage an, wie sehr eine solche Habitualisierung (im Zusammenhang mit Hintergrundmusik) auch auf solche Situationen wirkt, in denen Musik eigentlich intensiv erlebt werden soll. Heiner Gembris hat einen ähnlichen Gedanken im Zusammenhang mit der rezeptiven Musiktherapie formuliert:

»Andererseits untergräbt gerade die Gewöhnung an die ständige Anwesenheit von Musik (...) eine entscheidende Wirkungsmöglichkeit, die sie einst hatte: allein durch ihre Eigenschaft als selten(er) zu hörendes und besonderes, ja singuläres Ereignis konnte sie die Zuhörer in ihren Bann ziehen und jene Wirksamkeit entfalten, die sie als therapeutisch nützlich legitimierte. Diese konzentrierte und ungeteilte Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde und die eine wichtige Vorraussetzung für die Entfaltung musikalischer Wirkungen darstellt, hat die Musik im Alltag heute weitgehend verloren.«87

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Gembris, Heiner: Zur Situation der rezeptiven Musiktherapie. Musiktherapeutische Umschau Bd 14 (3), 196–197, zit. nach Behne (1999) 22.

In der Tat spielt die rezeptive Musiktherapie im Vergleich zur aktiven heute eher eine marginale Rolle, ist begrenzt auf einzelne Therapiekonzepte und eingeschränkte Anwendungsgebiete, z. B. in der Anästhesie. Auch im Falle der Beschallung am Hamburger Hauptbahnhof drängt sich vielleicht sogar die naive Assoziation von klassischer Musik als einer »guten Gegendroge«88

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Vgl. Motte-Haber (1996) 216f, Musik als psychoaktive Substanz.
gegen die »schlechten Drogen« (Crack, Heroin) der Junkies vom Hachmannplatz auf. Die Erfahrungen der Musiktherapie verweisen solch eine Vorstellung natürlich in die Welt der Hirngespinste:

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