- 45 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum 
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des Frequenzspektrums weggefiltert. Dies sei in der Vergangenheit geschehen, um das Muzak-Angebot dezenter zu gestalten, was jedoch in der Zwischenzeit hinfällig geworden sei, da sich die Aufnahmequalität populärer Musik insgesamt verbessert habe und Muzak mit dieser Entwicklung nun Schritt halten müsse, erklärt mir Hartmann. Wahrscheinlicher scheint jedoch doch die Vermutung, die Fehling bereits 1976 äußerte, dass »die Hersteller der funktionellen Musik aus der Not – sprich: Begrenzung der Kanalkapazität bei Telefonübertragungen oder Einengung des Frequenzumfanges durch die zwangsläufig niedrige Geschwindigkeit der Abspielmaschinen (4,75 cm/sec) – eine Tugend machen wollen. Was aus technischen Gründen nicht anders zu machen ist, wird als wissenschaftliche Erkenntnis verkauft«81
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Fehling (1976) 33.
.

Auffällig ist, dass die Argumentation aufgrund von »wissenschaftlichen Erkenntnissen« im Werbematerial der Firma kaum noch eine Rolle spielt. Die vermeintlich »wissenschaftlichen« Nachweise über die angeblich erwiesenen Effekte der funktionellen Musik auf Produktivität (in der Arbeitwelt) und Absatz (in Kaufhäusern) konnten von unabhängigen Studien kaum bestätigt werden. So beschränkt sich Muzak heute vor diesem Hintergrund weitest gehend darauf, ganz einfach eine »schöne Atmosphäre« zu erzeugen. Dieses geänderte Selbstverständnis ist auf der US-Website zusammengefasst, so seien die Muzak-Programmgestalter in Wirklichkeit »audio-architects«, »not scientists using formulas and rules, but designers shaping the way music is heard«82

. Das Unternehmen erreichte damit (nach eigenen Angaben) im Jahre 1998 80 Mio. »Hörer« weltweit, das Muzak-Angebot wurde von ca. 250 000 Betrieben (z. B. Büros, Geschäften, Restaurants) abonniert.

4.4.  Funktionelle Musik im Spiegel der Kritik

4.4.1.  Wirkungsdimensionen

Musik wirkt. Diese vermeintlich simple Tatsache wird nicht nur jeder Musikliebhaber bestätigen, sondern sie ist auch Gegenstand zahlreicher Untersuchungen der Musikpsychologie und verschiedener Subdisziplinen. Musikwirkung ist messbar. Auf der physiologischen Ebene sind beispielsweise Veränderungen der vegetativen Funktionen, der Muskelaktivität und elektrophysiologische Vorgänge (z. B. Änderung des Hautwiderstandes) zu beobachten und zu quantifizieren.83

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Vgl. Harrer (1997) 588.
In den letzten Jahren sind besonders neurophysiologische Vorgänge beim Musikhören in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, doch auch mit Hilfe von konventionelleren Mitteln (z. B. Befragungen) wird versucht, etwa den vegetativen Wirkungen auf die Spur zu kommen.84
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Vgl. Harrer (1997) 591.
Im Bereich der funktionellen Musik/Hintergrundmusik steht nicht die Wirkung an sich in Frage, sondern ihre Kalkulierbarkeit gemäß den Versprechen der Anbieter. Klaus-Ernst Behne untersuchte im Rahmen einer Meta-Studie 153 empirische Studien zum Thema »Hintergrundmusik« auf signifikante Ergebnisse in Bezug auf außermusikalisches Verhalten . Der Befund fiel so negativ aus, dass er

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