- 42 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum 
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am Bahnhof und einem Kaufhaus ins Gedächtnis zu rufen, insbesondere die repräsentative Funktion der Öffentlichkeit von Bahnhöfen.

4.3.  Muzak

Muzak ist der Name des berühmtesten Anbieters funktioneller Musik (Hintergrundmusik) und gleichzeitig abwertendes Synonym für eine ästhetisch vermeintlich minderwertige »Kaufhaus-« oder »Fahrstuhlmusik«. In Amerika gehört der Konzern seit den 1980er Jahren zur New Yorker Westinghouse Gruppe, Muzak/Deutschland ist Teil der Alcas Muzak Holding B.V.72

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Im Folgenden kurz: Muzak.
Gegründet wurde das Unternehmen von dem Brigadegeneral George Squier, der in den 1920ern seinen Dienst quittierte, um sich ein Patent zur telefonischen Übertragung von Musik zu sichern und die Welt fortan mit möglichst allgegenwärtiger Musikberieselung zu versorgen. Seine Firma hieß zunächst »Wired-Radio« (angelehnt an den Übertragungskanal der Telefonleitungen) und wurde 1934 umbenannt in »Muzak-Radio«. »Muzak« ist eine Wortschöpfung zusammengesetzt aus »Music« und »Kodak«, dem Namen des damals ungemein erfolgreichen Herstellers von Fototechnik.

Die Idee, Musik massenhaft in den Alltag zu überführen, lag förmlich in der Luft. Vorangegangen waren – neben den bekannten Innovationen von Radio und Grammophon – beispielsweise die Sozialutopie Edward Bellamys (1888) »Looking Backward From 2000 to 1887«73

. In dieser zeichnet der Autor für das Jahr 2000 das Bild von einer glücklichen Gesellschaft mit einer hohen Lebensqualität, welche u. a. durch die allgegenwärtige Musikbeschallung bedingt wird. Eine ähnliche Geschäftsidee wie Squier hatte Thaddeus Cahill mit seinem 1897 patentierten und 1907 der Öffentlichkeit präsentierten »Dynamophon«, auch bekannt als »Telharmonium«. Das Dynamophon war eines der ersten Geräte zur elektronischen Klangsynthese und regte z. B. den Komponisten Ferrucio Busoni zu einem schwärmerischen Essay über eine neue Musikästhetik an (benutzt hat er es jedoch nie). Das Dynamophon, dessen elektronisch generierte Klänge direkt in das Telefonnetz eingespeist wurden, sollte über die eigens gegründete Vetriebsfirma »New England Electric Music Company« vor allem an Städte verkauft werden. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch letztendlich, da zum einen die Herstellungskosten immens waren (angeblich $ 200 000 pro Gerät) und zum anderen dadurch, dass durch die Musikübertragung Telefongespräche im Netz gestört wurden.74
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Vgl. Manning (1985) 1f.
Auch jenseits der medialisierten Wiedergabe bahnte sich die Musik ihren Weg in den Alltag: 1920 in einer Pariser Galerie dargeboten, propagierte Erik Satie die Idee einer »Musique d’Ameublement«, die – der späteren Musik Muzaks nicht unähnlich – gerade keine besondere Aufmerksamkeit beanspruchen, sondern als »musikalisches Mobiliar« lediglich als Element des Ambientes fungieren sollte.75
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Vgl. Kapitel 4.3.
Muzak platzierte sich mit dem Musikangebot in den 1930ern inmitten der Errungenschaften der technologischen Moderne in den USA:


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