- 4 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (3)Nächste Seite (5) Letzte Seite (110)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

1.2.  Der öffentliche Raum und die Musik – Raumkontrolle

Zunächst mag der Titel dieser Arbeit ein wenig missverständlich sein, denn es gilt: jegliche veröffentlichte Musik ist auch öffentliche Musik. Der Titel spielt jedoch an auf die als »Kunst im öffentlichen Raum« geläufigen Förderprojekte, wie sie u. a. von der Kulturbehörde der Stadt Hamburg bekannt sind (s. o.). Analog dazu wird auch in dieser Arbeit der öffentliche Raum zunächst verstanden als jener Bereich urbaner Räume, dessen Nutzung und Zugang allein durch die Strassengesetze der Städte geregelt wird bzw. deren freier Zugang sich (wie bei U-Bahn-Haltestellen) als Bestandteil des ÖNV und ÖPNV aus der Widmung der Verkehrsanlagen ergibt.

Trotz der im Titel angedeuteten Analogie wird letztlich die Frage offen gelassen, ob es sich bei der Musikbeschallung des Hamburger Hauptbahnhofs um »Kunstmusik« handelt. Dies ist letztlich nicht relevant, denn klar ist: klassische Musik wird hier nicht in konventioneller Weise vermittelt.

Musik begegnet uns in öffentlichen urbanen Räumen in den unterschiedlichsten Formen. Sie schallt heraus aus vorbeifahrenden Autos, erklingt in Parks aus mitgebrachten Ghettoblastern, als Handyklingelton, sie ist die tönende Darbietung von Straßenmusikern, ist Bestandteil von Festivitäten usw. In verschiedenem Maße übt sie dabei selbst territoriale Funktionen aus. Sie markiert einen Teil des öffentlichen Raums als Klangraum und vermag Einfluss zu nehmen auf die anwesenden Menschen und ihr Verhalten. In diesem Sinne kann sie auch ein Mittel sein, öffentliche Räume zu kontrollieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Loveparade bzw. die dort erklingende Techno-Musik, die in Berlin den Bereich der Straße des 17. Juni, das Rondell um die Siegessäule sowie die Grünflächen des Tiergartens für einen Tag in einen Raum verwandelt, in dem die meisten der ansonsten gültigen Regeln und Vorschriften außer Kraft gesetzt sind. Die Musik ist hier ein Mittel – und gleichzeitig Zweck – der Inbesitznahme des Raumes durch die Raver.

Bescheidener nimmt sich die Einflussnahme eines Straßenmusikers aus, sie ist abhängig davon, ob und in welchem Maße er überhaupt eine Zuhörerschaft findet. Lautstärke und Dauer der musikalischen Darbietung sind wohl die zwei entscheidenden Kriterien für den Grad der Einwirkungen von Musik auf die Teile des öffentlichen Raumes, in denen sie erklingt. Im Falle der Straßenmusik sehen sich die Musiker – gerade in Hamburg – recht strengen Regularien6

6
Vgl. Bezirksamt Hamburg-Mitte (Hg.): Merkblatt für Straßenmusik und Straßentheater, Hamburg 2002, online unter: www.hamburg.de/Dibis/form/pdf/BA-Sonder1.pdf.
gegenüber, die u. a. durch das Vorgeben fester Spielzeiten, die Beschränkung der Spieldauer und das Verbot des Benutzens von Verstärkern und Tonträgern eine allzu starke Einflussnahme auf den öffentlichen Raum unterbinden sollen.

Die Musikbeschallung am Hauptbahnhof und in den U-Bahn-Stationen zeichnet nicht eine hohe Lautstärke aus, sondern vor allem Permanenz. Eine Grundannahme dieser Arbeit ist daher, dass sie dadurch – ob »erfolgreiches« Vertreibungsinstrument oder nicht – einen nachhaltigen Einfluss ausübt auf den berieselten Raum. Am Ende dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass eine Klassik-Beschallung wohl weniger ein wirksames Vertreibungsinstrument zu sein vermag, sondern eher ein Mittel zum Ausschluss unliebsamer Personen, ein Signal, den beschallten Raum


Erste Seite (i) Vorherige Seite (3)Nächste Seite (5) Letzte Seite (110)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 4 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum