- 99 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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bis zu ihrem dramatischen Ende – dem Filmriß. Die damit verbundenen Geräusche fassen Köner und Reble als musikalischen Prozeß auf:

»die harmonischen Spektren der Projektionsmaschine, vibrierend. Das Zischen und Dampfen der Chemikalien, durch Mikrofone verstärkt, formbar gemacht durch Eingriffe in die Binnenstruktur des Klanges.«7

7 O.A. (1998, S. 23f)(Hervorhebungen im Orginal).

Figuren der Auflösung haben nicht nur in der Filmkunst, sondern auch in der Medienmusik Konjunktur. Dazu gehören die Formen der Zeitachsenmanipulation mit (Re-)Produktionsmedien, so wie sie in Kapitel 4.1 beschrieben wurden; sie lassen sich als Figuren der Auflösung subsumieren. Hierzu einige Beispiele: Bei der Tonbandmontage macht Cage Schnittechniken8

8 Vgl. auch Abschnitt »Cut, Copy & Paste – Montage mit verschiedenen Schnittechniken«.
zum Thema, und damit die Möglichkeiten der Gestaltung der Differenz zwischen zwei Klängen:

»Der hauptsächliche technische Beitrag meiner Arbeit mit dem Tonband besteht in der Montage-Methode, das heißt in der Methode, das Material derart zu schneiden, daß es die Ein- und Ausschwingungen der aufgenommenen Klänge berührt.«9

9 Cage (1973, S. 182).

Wenn der DJ beim Scratchen die in den Schallplattenrillen gefrorene Zeit als Wegstrecke mit Nadel und Plattenteller reanimiert, dann kann von einer variantenreichen Temporalisierung der Differenz zwischen Stillstand und Beschleunigung gesprochen werden, bei der die »phonoplastische Legierung« (Eshun) der Schallplatte, des Mediums hörbar wird. Ulf Poschardt schreibt: »Differenzen auszuhalten, zu denken und im schöpferischen Prozeß zuzulassen ist eine Grundidee der DJ-Ästhetik, in der sich die Differenz stets in der Unnahbarkeit zweier Plattenspieler widerspiegelt.«10

10 Poschardt (1997, S. 302f).
An die Stelle der Differenz zwischen zwei Plattenspielern montiert der DJ das Mischpult, mit dem sich Figuren der Auflösung wie Crossfading und Transforming verzeitlichen lassen. Wenn Steve Reich Tonband-Loops in unterschiedlicher Geschwindigkeit abspielt, dann wird die Differenz zwischen Synchronisation und Desynchronisation als Figur der Auflösung sukzessive verzeitlicht.

5.1.2.  Re-Entry: das Medium als Form

In der Medienmusik tritt das (technische) Medium auf verschiedene Weisen als Form in sich selbst wieder ein. Die Figur des Re-Entrys ist ein Ärgernis für Ingenieure und ›HiFi-Freaks‹. Ihr Medienideal ist die perfekte Abbildung, das Medium als Spiegel der Wirklichkeit. Sie streben nach der Unhörbarkeit des technischen Kanals. Medien figurieren auf der materiellen Ebene auf der Formseite von Medium und Form (und damit auf der beobachtbaren Innenseite der Unterscheidung) auf der Bildebene als »Rahmen, Raster, Gitter, Netze etc.«11

11 Paech (1997, S. 333).
, bzw. in der Musik als Störgeräusche (Knistern, Rauschen); und wurden zu einer »Fehlerästhetik«12
12 Klopotek (1999, S. 39).
stilisiert. Karriere konnte diese Ästhetik erst machen, nachdem die technischen Mängel,

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