- 98 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Welche Figuren der Auflösung sich hinsichtlich der Medienmusik beobachten lassen, das soll im folgenden exemplarisch skizziert werden.

5.1.1.  Paradoxien der Auflösung

Das idealisierte Abbildparadigma des Medialen als Spiegel der Wirklichkeit wird von den neueren Medientheorien kritisiert. Die Abbildung in analogen, technischen Speichermedien wie Schallplatte, Tonband, Fotografie und Film setzt eine ontologische Differenz zwischen medialer Repräsentation und vormedialer Präsenz voraus. Dieser ontologischen Denkart wird eine differenztheoretische Vorstellung von »Re-Präsentation« (Paech) als Spur des Verschwindens entgegengesetzt.5

5 »Das Medium der Fotografie erscheint als ›die Form der Differenz‹, die die Zeit des Verschwindens als Spur der vorfotografischen Präsenz in der fotografischen Re-Präsentation hinterlassen hat. Die Fotografie ist eine Zeitmaschine, deren apparative Verschlußdauer das Paradox der (ontologisch) unmöglichen Gleichzeitigkeit von Gegenwart und Vergangenheit im fotografischen Moment verzeitlicht (entparadoxiert) und die in der Re-Präsentation des fotografischen Abbildes als unmögliche Vergegenwärtigung des Vergangenen wiederholbar wird.« Paech (1998, S. 20), vgl. hierzu auch Krämer (1998), beide in Bezug auf: Barthes (1985), Derrida (1974).
Fotografie wird dann Medium (Luhmann) für technisch evozierte Formvariationen der Einschreibung des Signals als Spur bzw. als Differenz. Im Klartext: Aus medientheoretischer Sicht werden die apparativen Bedingungen und Handlungsoptionen der Re-Präsentation als Medium für Formen beobachtet – und wieder gilt: Reproduktion wird (Re-)Produktion.

»Der Unterschied zwischen apparativer (Verschluß-)Geschwindigkeit und vorfotografischer Bewegung führt, je nach Relation, zum (scharfen) Bild des Erstarrens oder zu Unschärfen und Verwischungen bis zum Bild (der Figuration) des Verschwindens, wenn nur noch die sichtbare Spur der Bewegung selbst ›festgehalten‹ werden kann.«6

6 Paech (1998, S. 20).

Beobachtet man die Paradoxien der Auflösung, dann wird die Auflösung von Formen als Form sichtbar. Anders formuliert: Beobachtet werden Formen der Auflösung als Metaformen. Metaformen erscheinen als Formen auf der Formseite der Unterscheidung Medium und Form; Paech schlägt vor, derartige Metaformen als Figuren zu bezeichnen. Die ›Form der Auflösung‹ ist eine Figur selbstreferentieller Medialität. Sie tritt gleichzeitig auf mit der Wiedereinschreibung bzw. dem Re-Entry des Medialen auf der Formseite von Medium und Form. Die Paradoxie der Auflösung figuriert z.B. im Moment des Filmrisses. Für einen kurzen Moment erscheint die Materialität des schmilzenden Filmstreifens, bis kein Film mehr zu sehen ist, sondern nur noch die leere, weiß beleuchtete Leinwand. Das schnelle Verschwinden der Form läßt sich aber auch aufschieben, temporalisieren. Paradigmatisch dafür kann die Performance Alchemie von Thomas Köner und Jürgen Reble angeführt werden. Köner und Reble inszenieren die Auflösung eines Filmstreifens als eine einstündige Film- und Klangprojektion. Als Material dient eine zehn Meter lange Filmschleife mit Schwarzfilm. Diese Schleife wird während ihrer Projektion mit chemischen und mechanischen Mitteln malträtiert. Die materiellen Eigenschaften und Anfälligkeiten des Films treten sukzessive auf der Leinwand in Erscheinung


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