Eigenschaften
aus der Welt der analogen Aufzeichnungstechnologie als Medium für künstlerische
Formen fungieren können, zeigt sich bei ihrer Transformation in die digitalen
Medien.92
92 Vgl. die Ausführungen zu dem Plug-In Grungelizer im Abschnitt 4.2. »Zur
Repositionierung analoger Formen in digitalen Medien.«
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4.1.3.2 Zeitachsenmanipulation als Medium
Die in diesem Kapitel beschriebenen unterschiedlichen horizontalen und vertikalen
Formen der Zeitachsenmanipulationen mit/in technischen (Re-)Produktionsmedien
lassen Zeitachsenmanipulation als eigenständiges Medium (Luhmann) im Medium des
Recordings sichtbar werden. Zeitachsenmanipulation heißt: einen zeitseriellen
Datenstrom verändern. Sowohl Schallplatte als auch Tonband leisten die Verräumlichung
der Bewegung und das Isolieren der Zeit durch das Paradox der zusammengesetzten
Bewegung, im Analogen aus unendlich vielen Punkten und im Digitalen aus
abzählbar vielen Punkten. Dadurch werden, auf der horizontalen Achse
verschiedene Formen der Bewegung möglich. Dazu gehören Dehnung (›Slow
Motion‹) und Stauchung (›Micky-Maus-Effekt‹) bei einer Manipulation der
Abspielgeschwindigkeit93
93 Die sich mit Joachim Paech auch als Figuren der Auflösung verstehen lassen, vgl.
Abschnitt. 5.2.
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oder durch das Umdrehen der Abspielrichtung entsprechende Rückwärtseffekte
(›Reverse‹). Damit auch die Ordnung der Nachfolgerelationen auf der Zeitachse gezielt
verändert werden kann, müssen sich Zeitpunkte auf Raumkoordinaten beziehen
lassen.
»Weil die Zeit von vornherein eine Nachfolgerelation ist, alle Punkte also
mit einer Kardinalzahl versehen sind, macht es Probleme, diese Ordnung
so umzustoßen, wie das im Raum jedes der seit Lacan auch theoretisch so
beliebten Brettspiele kann. In diesen Brettspielen dominieren bekanntlich die
leeren über die vollen Plätze: Nur wenn die Spielfläche noch mindestens eine
Leerstelle bietet, können Steine oder Figuren überhaupt versetzt werden.
Diese Kopräsenz voller und leerer Plätze ist in der Zeit nicht gegeben. Zeitachsenmanipulation
setzt also zuallerst voraus, zeitserielle Datenströme (zum Entsetzen der Philosophen)
auf Raumkoordinaten beziehen zu können.«94
94 Kittler (1993, S. 183).
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