- 87 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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4.1.3.1 Aufzeichnungstechnologie als Medium

Die jeweilige Materialität und Technik der Reproduktionsmedien ist selbst zum Medium (Luhmann) geworden. Technikgeschichte läßt sich als eine Geschichte der Differenzierung in Gerätetypen aufschreiben. Vom Phonographen bis zu den digitalen Medien sind von Gerät zu Gerät spezifische Klangcharakteristika und Handlungsoptionen entstanden (vgl. Mediengeschichte, technische Grundlagen), die sich jeweils dem Klangbild und der musikalischen Praxis aufgeprägt haben. In der heute weit verbreiteten künstlerischen Praxis des Medien-Mix fließen sie mit ein und bilden u.a. neue (Meta-)Formen als Figuren der Intermedialität.85

85 Vgl. dazu auch den Abschnitt 5.2 »Figuren der Intermedialität«.

Die Reproduktionstechnik von Musik orientiert sich (1) an der Physis des menschlichen Hörens86

86 Der Mensch hört Tonhöhen zwischen ca. 16–16000 Hz. Die Sensibilität des menschlichen Hörens ist besonders ausgeprägt für Tonstärken zwischen 50–80 dB und auf mittlere Höhen zwischen 300–3000 Hz. Vgl. Moles (1971, S.23ff).
und (2) dem klassischen Orchester als Klangideal87
87 Selbst die jüngere Samplergeneration, wie der Gigasampler von Nemesys, zeichnen sich noch besonders durch die »naturgetreue Reproduktion echter Instrumente wie Flügel oder Orchesterinstrumente.« aus. Im Angesicht von Geige und Klavier erscheint der Sampler in diesem Zitat als unechtes Instrument. Vgl. Ziebarth (1998, Zitat: S. 67).
Umgekehrt kann man sagen, daß die Aufnahmeapparaturen derart tief in die Wirklichkeit eindringen, daß jedes Bild die Spur des Mediums selbst trägt und damit die berühmte These McLuhans, das Medium selbst sei die Botschaft, technisch wohlbegründet.88
88 Vgl. Bolz (1993a, S. 112).
Die technische Entwicklungsgeschichte der Reproduktionsmedien isoliert betrachtet, ist von dem Ideal der Übereinstimmung von Vorlage und Abbild bestimmt. Wichtige technische Parameter dabei bilden die Synchronisation der Aufnahme- und Wiedergabegeschwindigkeit89
89 Mit der Standardisierung der Abspielgeschwindigkeit im Bereich der Consumer Electronic.
, die Breite des Frequenzspektrums, die Regelmäßigkeit des Frequenzganges und der Dynamikumfang. Die Reproduktionsmedien, z.B. aus der Zeit der mechanischen Aufzeichnungssysteme mit ihrem unregelmäßigen Frequenzgang90
90 Zur Wirkung des Frequenzgangs in der Tonaufzeichnung: »Der akustische Effekt läßt sich mit der Bildverzerrung vergleichen, die man beim Betrachten eines Films [...] hervorrufen könnte, indem man durch eine Glasscheibe mit unregelmäßiger Dicke schaut. Alle Bilder wären dann in derselben Weise verzerrt. Um die Klangfarbe möglichst originalgetreu wiederzugeben, muß der Frequenzgang der Systeme flach verlaufen.« David (1988, S. 154).
und dem schmalen Frequenzspektrum der Tonaufzeichnung zwischen 100 und 5000 Hertz, stellten eine technische Konstante dar, der sich die Musiker und die Musikinstrumente unterordnen mußten. Ganze Werke und Arrangements wurden umgeschrieben, damit sie besser in die Medien paßten.91
91 Vgl. Abschnitt 2.1.2 »Von der Reproduktion zur (Re-)Produktion von Musik«.
Für die Frühgeschichte der analogen (Re-)Produktion lassen sich die technischen Parameter von Schallplatte und Tonband tabellarisch wie folgt zusammenfassen:

Heutige Schallplatten weisen einen Dynamikumfang zwischen ca. 45 bis 55 dB und ein Frequenzspektrum von 20–20000 Hz auf. Hochwertige Tonbandmedien verfügen über einen Dynamikumfang von 60–70 dB, Rauschunterdrückungssysteme können diese Werte, nicht ohne eine Veränderung des Klanges, noch um 6–20 dB erhöhen. Tonbandmedien registrieren, etwas besser als das menschliche Hörvermögen, ein Frequenzspektrum zwischen 20–20000 Hz. Daß selbst derartig technische


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