- 84 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Kealy spricht in seinem Aufsatz »From craft to art« über die Transformationsprozesse in den Gebrauchsweisen der Studiotechnik. Er hebt ab auf den »Sound Mixer«, dessen Tätigkeit seit Mitte der 60er Jahre nicht mehr nur als eine handwerkliche, sondern als eine künstlerische gelte. Es ist bei Kealy von einem neuen Verständnis des handwerklichen, technischen Werkzeuges die Rede, das die Studiotechnik zum Medium künstlerischen Handelns erklärt. Für die Transformationsprozesse, die er beobachtet, hebt Kealy zwei Punkte hervor:

»(1) a change in the aesthetic conventions for judging the crafted objects from utilitarian to expressive and (2) a change in the status of the work – and the workers – from technical to artistic.«77

77 Kealy (1990, S. 207f).

Roesner und Mayer schreiben über die Ästhetik von Medien in der Popmusik. Sie kommen zu dem Schluß, daß die klangliche Realisierung von Popmusik an die technischen Apparate ihrer Produktion und Vermittlung gebunden ist. Popmusik ist im Wesentlichen von der konzertanten Aufführung unabhängig. Einen Paradigmenwechsel von der Live-Musik zur Medienmusik in der Popmusik verorten Roesner und Mayer bei dem Beatles Album Sergeant Pepper’s Lonely Heartsclub Band. Das Live-Konzert ist seither der Studioproduktion nachgeordnet und nicht mehr als

»die Verlebendigung eines technischen Endprodukts. [...] Sie bedürfen der aufwendigen Studioapparaturen, der Studios auf Rädern, der auf der Bühne installierten Lautsprechergebirge.«78

78 Roesner; Mayer (1987, S. 87).

Formen im Medium (Luhmann) des Recordings sind somit prägend für eine ganze Musikkultur geworden. Multitrackrecording und Studiotechnik führen heute – wir verlassen für einen Moment die analoge Frühgeschichte der Medienmusik – zu Formen der Musikproduktion, die Recording als Medium so intensiv reflektieren, daß sie die vorgesehene Bestimmung des Mediums, nämlich den musizierenden Instrumentalisten abzubilden und ihn dabei möglichst gut zur Geltung kommen zu lassen, schlicht vergessen. Michael Timothy, Studiomusiker bei der Produktion zu Mezzanine von der englischen Band Massive Attack, beschreibt seine Erfahrungen mit Medienmusik. Massive Attack arbeiten so, daß sie zunächst einige Basistracks zusammenstellen und anschließend Musiker tagelang dazu jammen lassen. Alles wird aufgezeichnet:

»sie sammeln verschiedene Sachen und setzen sie später zusammen, auf ihre eigene Weise. Ich meine nicht mal ich habe, als ich ›Dissolved Girl‹ das erste Mal hörte, die Keyboard-Parts wiedererkannt, die ich gespielt hatte. Sie haben es mir gesagt: ›Du hast darauf gespielt dieser noise ist von dir.‹ Und sogar die Tracks, zu denen wir spielen sollten, veränderten sich ständig. Das heißt, im Juli hatten wir diesen Track, und zwei, drei Monate später hatte er sich in etwas völlig anderes verwandelt. Für jemanden wie mich, der gewohnt ist zu wissen, was er tut, war das ein sehr seltsamer Prozess.«79

79 Kleinermanns; Piltz (1999, S. 36).


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