- 79 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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4.1.2.3.1 Horizontale Zeitachsenmanipulationen
Für horizontale Zeitachsenmanipulationen mit dem Tonband werden in diesem Abschnitt die Verfahren des Tonbandschnitts, der geschlossenen Bandschleife(n) und Modulationen durch Veränderungen der Abspielgeschwindigkeit und Abspielrichtung beispielhaft beschrieben.

Cut, Copy & Paste – Montage mit verschiedenen Schnittechniken
Der Bandschnitt (cut) beim Tonband setzt voraus, daß das Schneidewerkzeug (Schere, Schneidetisch und Klebevorrichtung) entmagnetisiert sind, um ›Schnittgeräusche‹ zu vermeiden. Einschwing- und Ausschwingverhalten eines Klanges lassen sich durch eine besondere Schnittechnik beeinflussen:

»[Aus, T.K.] der Tätigkeit des Bandschnitts resultiert nicht nur die zeitliche Abfolge von Klängen, durch sie kann auch der für die Klangfarbe nicht unwichtige Einschwingvorgang (in gewissen Grenzen) bestimmt werden: ein gerader Schnitt im Winkel von 90° läßt einen Klangvorgang kalt, manchmal sogar knallend einsetzen, aus mehr oder weniger schrägen Schnitten resultieren weichere Einsätze oder Übergänge.«58

58 Humpert (1987, S. 64).

Wichtige Kontrollinstrumente beim Cut & Paste mit dem Tonband sind das Zentimetermaß und die Stoppuhr. Bandstrecke und Zeit (cm/sec) lassen sich damit in ein Verhältnis zueinander setzen. Manipulationen im Medium Tonband werden somit im Schriftmedium Partitur anschreibbar; (Medien)Komposition und neue, intermediale Verhältnisse zwischen Schrift(bild)59

59 Vgl. Karkoschka (1996).
und Ton werden möglich.

»Mit dem Bezugsmaß lassen sich [...], ausgedrückt in Bandzentimetern, rhythmische Verbindungen realisieren, die mit der traditionellen Notenschrift nicht mehr erfaßbar, geschweige denn von Instrumentalisten spielbar sind. So können durch die Aneinanderreihung kurzer, beispielsweise 1 cm langer oder noch kürzerer Bandstücke [...], die anschließend zu einer Bandschleife geklebt werden, mittels Beschleunigung neue Klangvorgänge entstehen.«60

60 Humpert (1987, S. 64).

Dieses Zitat Humperts verdeutlicht, daß die Möglichkeiten der horizontalen Zeitachsenmanipulation durch Schnitt- und Klebeoperationen61

61 Vgl. auch die Abschnitte 2.2.2, 2.2.3, 2.2.4 zu den Strategien der (Re-)Produktion der Musique concrète, Glenn Gould und John Cage.
zu neuen Klangvorgängen und damit zu medienspezifischen Phänomen in der Musik führen. Die Musik selbst wird zu einem Teil der Strategien medialer Simulationen und Täuschungen; denn: »Speichern, Löschen, Auslesen, Vorlaufen, Rückspulen, Schneiden – die Zwischenschaltung von Tonbändern in den Signalweg vom Mikrophon zur Masterplatte macht Manipulationen selber machbar.«62
62 Kittler (1986, S. 165f).
Dazu gehören sowohl die Verfahren der ›montage invisible‹ als auch die Verfahren der ›montage visible‹.63
63 Vgl. Reinecke, Christoph, 1986, a.a.O., und Abschnitt 3.1 zu den musikwissenschaftlichen Perspektiven.
Glenn Gould

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