- 7 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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des Kunstwerks ausmachen. Die Reproduktionstechnik unterläuft Aura und Autorität – der ›Kultwert‹ eines Kunstwerks weicht seinem ›Ausstellungswert‹.

»Das reproduzierte Kunstwerk wird in immer steigendem Maße die Reproduktion eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerks. Von der photographischen Platte z.B. ist eine Vielheit von Abzügen möglich; die Frage nach dem echten Abzug hat keinen Sinn. In dem Augenblick aber, da der Maßstab der Echtheit an der Kunstproduktion versagt, hat sich auch die gesamte soziale Funktion der Kunst umgewälzt. An die Stelle ihrer Fundierung aufs Ritual tritt ihre Fundierung auf eine andere Praxis: nämlich ihre Fundierung auf Politik.«6

6 Benjamin (1963, S. 18), (Hervorhebungen im Original).

Der Einbruch der Maschinen in das Feld der Künste, das ist Benjamins politische Hoffnung, führt zur Zerschlagung der kulturellen Legitimation der Herrschaft: »Der ›Ausstellungswert‹ soll den imaginär ideologischen Charakter des ›Kultwerts‹ denunzieren.«7

7 Fischer (1986, S. 39) (Hervorhebungen im Original).
Reproduktionstechnik ermöglicht neue, technisch affizierte Perspektiven auf das Original (z.B. vergrößerte Ausschnitte) sowie ein parasitäres Herauslösen des Originals aus seinem situativen Kontext, bis hin an Orte, die vom Original selbst gar nicht erreichbar wären: »das Chorwerk, das in einem Saal oder unter freien Himmel exekutiert wurde, läßt sich in einem Zimmer vernehmen.«8
8 Benjamin (1963, S. 13).
Die Aura ist indes nicht reproduzierbar: »Denn die Aura ist an sein Hier und Jetzt gebunden. Es gibt kein Abbild von ihr.«9
9 Benjamin (1963, S. 25).
Benjamin begrüßt die Reproduktionstechnik als Möglichkeit zur Überwindung des Mythos ›Aura‹ und zur Demokratisierung der Kunst. »Wo eine Vielzahl von Originalen kreist, ist nicht Andacht vor der Einzigartigkeit des Kunstwerks abverlangt, sondern ein produktives Umgehen mit Originalen.«10
10 Schläbitz (1997, S. 57).
Durch die massenweise Verbreitung der Apparate sieht Benjamin Potentiale für eine Veränderung der Verhältnisse zwischen Produzent und Rezipient in der Kunst:

»[Es] ist die Unterscheidung zwischen Autor und Publikum im Begriff, ihren grundsätzlichen Charakter zu verlieren. [...] Der Lesende ist jederzeit bereit, ein Schreibender zu werden.«11

11 Benjamin (1963, S. 29).

Weiterhin führt maschinengestützte ästhetische Produktion zu einer illusionären Natur zweiten Grades – es entsteht die unhintergehbare Realität der Medien:

»Im Filmatelier ist die Apparatur derart tief in die Wirklichkeit eingedrungen, daß deren reiner, vom Fremdkörper der Apparatur freier Aspekt das Ergebnis einer besonderen Prozedur, nämlich der Aufnahme durch den eigens eingestellten photographischen Apparat und ihrer Montierung mit anderen Aufnahmen von der gleichen Art ist. Der apparatfreie Aspekt der Realität ist hier zu ihrem künstlichsten geworden und der Anblick der unmittelbaren Wirklichkeit zur blauen Blume im Land der Technik.«12

12 Benjamin (1963, S. 31) (Hervorhebungen im Original).


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