- 46 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Wirkungsgeschichte markiert. Und tatsächlich ist Luhmann nicht angetreten, um affirmative oder kritische Statements zur Gesellschaft zu formulieren:

»Eine Vorstellung, wie die Gesellschaft gut oder auch nur besser sein könnte, habe ich gar nicht. Ich finde, daß unsere Gesellschaft mehr positive und mehr negative Eigenschaften hat als jede frühere Gesellschaft zuvor. Es ist heute also zugleich besser und schlechter. Das kann man viel zutreffender als üblich beschreiben, aber nicht zu einem Gesamturteil aufaddieren.«85

85 Luhmann (1987b, S. 139).

Luhmanns Gesellschaftstheorie ist ein interdisziplinäres Projekt. Das systemtheoretische Fundament seiner Theorie bilden die Theorien des Soziologen Talcott Parsons, ergänzt durch die biologischen und neurophysiologischen Studien von Humberto Maturana und Francisco Varela, denen Luhmann insbesondere den Begriff der Autopoiesis86

86 U.a. Maturana; Varela (1982).
verdankt. Mit Humberto Maturana, Francisco Varela, Jean Piaget und Heinz von Foerster hat Luhmann auch die Epistemologie des Konstruktivismus87
87 Vgl. u.a. Luhmann (1988a); Luhmann (1990a); Wilke (1994).
in seine Theorien eingebaut. Zur Untermauerung seiner differenztheoretischen Überlegungen zieht Luhmann die Kalküle des Mathematikers Georg Spencer-Brown88
88 Spencer-Brown (1994).
heran. Schließlich verwendet Luhmann noch Teile der Wahrnehmungstheorie von Fritz Heider (s.o.) für die Unterscheidung von Medium und Form.

Die Systemtheorie versucht autonome soziale Systeme auszumachen, die sich in Abhängigkeit zu ihrer Umwelt selbstorganisieren. Eine prominente Rolle bei der Bestimmung eines Systems spielt die Systemgrenze, die Differenz System/Umwelt:

»Systeme generieren ihre Grenzen selbst in der Interaktion mit ihrer Umwelt, und Identität muß insofern [...] als ein Resultat von Differenzierungs- und Selbstdifferenzierungsprozessen aufgefaßt werden.«89

89 Winkler (1997, S. 231).

In dem Aufsatz »Die Tücke des Subjekts und die Frage nach dem Menschen«90

90 Luhmann (1994).
hat Luhmann den Ausgangspunkt seiner Theorien kompakt in vier semantische Revolutionen aufgeteilt: (1) Luhmann setzt ein radikal operatives Verständnis von Systemen als Bedingung für das Begreifen der Einheit des Systems. (2) Systeme operieren selbstreferentiell. Die Einheit des Systems ergibt sich nur durch Selbstbezug auf andere eigene Operationen – es operiert rekursiv. Das menschliche Bewußtsein ist damit nicht die einzige Entität mit der Fähigkeit zur Selbstreferenz, sondern ein in der Spezifik seiner Operationsweise besonderes System. Systeme halten durch strukturelle Kopplungen Kontakt mit ihrer Umwelt. Diese Vernetzung ist die Bedingung der Produktion von Operationen eines Systems. Das Bewußtsein ist, wie alle anderen Systeme (z.B. die Kommunikation) ein autopoietisches System. (3) Ein radikales Verständnis von Differenztheorie: »Jede Operation macht einen Unterschied« (S. 51). Wird sie beobachtet, dann muß auch das beobachtende System einen Unterschied in doppeltem Sinn machen: »Zwischen sich selbst und dem, was es beobachtet [gemeint ist der Unterschied zwischen System/Umwelt, T.K.], und seinem Gegenstand, dem unmarked space (Georg Spencer-Brown), aus dem

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