- 44 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Die bedingte Glaubwürdigkeit der analogen Medien verliert sich auch bei Luhmann in den digitalen Medien. Im Umgang mit Computern ist der Vorgang der Eingabe von Daten und das Abrufen von Informationen so weit getrennt, daß Realität und Repräsentation vollständig entkoppelt erscheinen.

»Wer etwas eingibt, weiß nicht (und wenn er es wüßte brauchte er den Computer nicht), was auf der anderen Seite entnommen wird. Die Daten sind inzwischen ’verarbeitet’ worden. [...] Das heißt: die Autorität der Quelle mit all den erforderlichen sozialstrukturellen Absicherungen (Schichtung, Reputation) wird entbehrlich, ja durch Technik annulliert und ersetzt durch die Unbekanntheit der Quelle.«71

71 GdG (S. 309).

Luhmann schlägt im Zusammenhang mit Computertechnik sogar eine Brücke zu einem medientechnisch applizierten Medium für Formen.

»In unserer Begrifflichkeit muß das heißen, daß ein neues Medium im Entstehen ist, dessen Formen nun von den Computerprogrammen abhängig sind. Zwar entscheiden diese Programme noch nicht, wie das Medium die Kommunikation selbst zu Formen verdichtet, denn dazu gehören die Ereignisse des Eingebens und Entnehmens von Informationen. Aber die Programme sind, wie einst die grammatischen Regeln der Sprache, Formen, die die Möglichkeiten der strikten Kopplung einschränken und damit ins unabsehbare ausweiten können.«72

72 GdG (S. 309f).

Luhmann nähert sich damit vorsichtig den neueren Medientheorien an. Hätte der Soziologe eine Kritik an diesen Theorien geäußert, dann würde sie wahrscheinlich darauf abzielen, daß in den Medientheorien überwiegend mediendeterministische, materialistische Weltbilder entworfen werden, die die komplexen sozialen Prozesse in der Gesellschaft ausblenden.

Luhmanns Theorien, insbesondere sein Beobachtungsinstrument Medium und Form, haben mit Medientheorie nur wenig gemein. Joachim Paech hat dennoch in seiner Theorieaneignung Luhmanns Konzepte in die Medientheorien und in die Diskussionen um den Begriff Intermedialität eingeführt. Er untersucht mit Medium und Form als Beobachtungsschema Film und Fotographie. Kapitel 5 »Formen der Medialisierung« versucht Paechs Ansatz auf Medienmusik zu übertragen. Zum besseren Verständnis der Konstruktion von Medium und Form, so wie sie Luhmann entwickelt hat, soll zunächst Text und Kontext der Systemtheorie näher erläutert werden.

3.3.2.  Text und Kontext der Systemtheorie

Wie die Medientechnik hat auch die moderne, allgemeine Systemtheorie eine militärische Vergangenheit. Sie wurde etwa um 1940 von Ludwig von Bertalanffy entwickelt. Krisenstäbe und spezielle Forschungs- und Strategiekommissionen versuchten in jener Zeit des Zweiten Weltkriegs, die Pragmatik militärischer Logik und die philosophische Tradition ganzheitlichen Denkens miteinander zu verbinden. Man erkannte,


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