Cage fragt nicht »was«, sondern »wie« die Medien
vermitteln.101
101 Cage operiert systemtheoretisch gesprochen als Beobachter zweiter Ordnung: »Generell
tendiert ein Beobachter zweiter Ordnung dazu Latenzen in Kontingenzen zu
transformieren. Damit geht einher die Neigung, Was-Fragen durch Wie-Fragen zu
ersetzen.« KdG (S. 147).
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1937 schrieb Cage über die Möglichkeiten der Klangkomposition – der Komposition von
›Sound‹ – mit technischen Reproduktionsmedien. Er schlägt vor, einen Filmprojektor als
Musikinstrument zu gebrauchen, bei dem die Modulationsmöglichkeiten der Parameter
Lautstärke und Frequenz gegebener Klänge zum Gegenstand der Komposition
werden:
»[...] what we hear is mostly noise. When we ignore it, it disturbs us. When
we listen to it, we find it fascinating. The sound of a truck at 50 m.p.h. Static
between the stations. Rain. We want to capture and control these sounds, to
use them, not as ›sound effects‹ but as musical instruments. Every filmstudio
has a library of ›sound effects‹ recorded on film. With a film phonograph
it is now possible to control the amplitude and frequency of any one of
these sounds and to give it rhythms within or beyond the reach of anyone’s
imagination.«102
102 Cage, zitiert nach: Hagen (1996, S. 84).
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Medienkomposition heißt demnach: nicht den Inhalt des Mediums, sondern mit dem
Medium selbst zu komponieren. Wolfgang Hagen deutet das Vorgehen des Sohnes eines
Erfinders und Radiotechnikers als Möglichkeit zur Überwindung des »Inertialsystems«
(Hagen) der Musiktheorie mit Hilfe der Medientechnik, »die mehr als gespielte Noten
präsentiert.«103
Wie schon der Komponist Arnold Schönberg – bei dem Cage in Kalifornien an einigen
Kursen teilgenommen hatte – folgert auch der Medientheoretiker Wolfgang Hagen, daß
bei Cage Komposition und Erfindung äquivalent sind. Daniel Charles hat Cage dazu
befragt:
»Frage: Schönberg, dessen Schüler sie waren, sagte, daß sie ›kein Komponist
seien, sondern ein Erfinder – mit Genie‹. Was haben sie erfunden? Antwort:
Musik (nicht die Komposition).«104
Die Arbeit mit Medientechnik stellt – das sei hier der Vollständigkeit
halber gesagt – nur
eine Facette des Musikers und Künstlers John Cage dar.
2.2.5. Kool DJ Herc, DJ Grandmaster Flash
Um Musik ging es auch jungen New Yorker DJs Mitte der siebziger Jahre. Mit zwei
alten
Gerard-Plattenspielern, einem Vorverstärker mit zwei Knöpfen zum Mischen und einem
Soundsystem gelang es zuerst Kool DJ Herc die Breakbeats, das sind zumeist
spärlich instrumentierte Rhythmuspassagen, zu isolieren und in Echtzeit neu
aneinanderzufügen.105
105 Vgl. Poschardt (1997, a.a.O., S. 166).
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Zur Realisitation seiner Montagekunst arbeitete Herc mit zwei Exemplaren der gleichen
Platte und ließ den Break abwechselnd auf dem einen und dem anderen Plattenspieler
laufen. Oder aber er wechselte von dem Break eines Stückes auf den Break eines anderen
über. Ulf Poschardt definiert diese
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