- 24 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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jeweils die einzelnen Tonbandabschnitte zu ganzen Stücken zusammen. Gould nutzte die Handlungsoptionen der Mikrofonierung und des Tonbandschnitts. Die fertigen Produktionen lassen aber nicht auf das Stückwerk ihrer Entstehung schließen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Tonbandpassagen erfolgen reibungslos, so daß in der Rezeption der Eindruck von Kontinuität und Geschlossenheit entsteht – eine »montage invisible«92
92 Vgl. Abschnitt 3.1. »Musikwissenschaftliche Perspektiven«.
par excellence. Gould setzte die technischen Mittel in der Logik der (Re-)Produktion ein und erweitert damit seine interpretatorischen Möglichkeiten zugunsten eines medial idealisierten Klavierspiels. Gould sagt:

»Es wäre wunderbar, wenn das, was wir in Gestalt einer Aufnahme verwirklichen, bis zu einem gewissen möglichen Grad vollkommen wäre, nicht allein technisch, sondern auch und vor allem geistig.«93

93 Gould, zitiert nach: Stegmann (1981, Sony Classical (CD-Booklet)).

Die in dem Gouldschen Labor geborene Musik der Medienrealität knüpft – dem Charakter einer medialen Simulation zum Trotz – unmittelbar an den Begriff des musikalischen Originals an, welchen Ernst Krenek an den Ort seiner medialen Speicherung bindet.94

94 Siehe Abschnitt 2.1.1 »Original und Aura im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit«.
Das von Gould und seinem Schnittmeister erstellte Tonband ist, anders als bei den Reproduktionen der »produktiven Distanz« von Konzerten, ein Original als Stand- bzw. Urbild der Interpretation.

2.2.4.  John Cage

Diametral zu den Strategien der (Re-)Produktion, die mit Hilfe der Medien (Mittel) zu einer vom Komponisten oder Interpreten intendierten Idealisierung des Höreindrucks (Zweck) kommen wollen, stehen die Strategien des amerikanischen Komponisten John Cage. Cage kämmt den Gebrauch der Musikinstrumente und der technischen Medien gegen den Strich ihrer funktionalen Bestimmung. Heinz-Klaus Metzger schreibt den Werken von John Cage das Credo einer »freigelassenen Musik«95

95 Metzger; Riehn (1978, S. 5).
zu. Cage konnte seine Begriffe von ›chance‹ (Zufall) und ›indeterminacy‹ (Unbestimmtheit) in der Musikwelt seiner Zeit etablieren.

»Was für Sigmund Freud die Entdeckung des Unbewußten bedeutete, war für Cage die Entdeckung des Nichtintentionalen. ›The exploration of nonintention‹ gab dem Leben von Cage eine feste Richtung.«96

96 Bischoff (1992, S. 18).

Vor diesem Hintergrund wird die Stoßrichtung der Medienkompositionen von Cage deutlich:

»Komposition verhält sich kritisch gegenüber den verordneten Modellen der Rezeption, wie sie der normierte Mediengebrauch vorschreibt, und umgekehrt ermöglicht sie Einsicht in die gesellschaftlich bedingte Struktur der Rezeptionsweisen ›kreativer Handlungen‹. Ähnliches gilt für andere, nicht minder fixierte Verhältnisse, wie etwa das von Produktion und Reproduktion.«97

97 Zeller (1990, S. 116).


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