- 23 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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mutiert zum Servomechanismus der Medien, genauso wie der Indianer der Servomechanismus des Kanus- oder der Beamte der seiner Uhr ist. Die von Schaeffer dezidiert beschriebenen Selektionsrichtlinien (Regeln) für die Erforschung des medialen Klangraums bekunden seinen instrumentellen Zugriff auf die Medientechnik. Aber sind die Medien in der Musique concrète wirklich nur Mittel für (künstlerische) Zwecke? Wäre eine wissenschaftliche Analyse der Schaefferschen Intentionen für ein Verstehen seiner Medienmusik hinreichend? Wenn man McLuhans Satz »the medium is the message«87
87 »This fact merely underlines the point that ›the medium is the message‹ because it is the medium that shapes and controls the scale and form of human association and action. The content or uses of such media are as diverse as they are ineffectual in shaping the form of human association. Indeed it is only too typical that the ›content‹ of any medium blinds us to the character of the medium.« Ebd. (S. 9).
ernst nimmt, müßte die Geschichte der Musique concrète, die derzeit in erster Linie eine ihrer Komponisten ist, auch als eine ihrer bislang wenig erforschten Medientechniken geschrieben werden.

2.2.3.  Glenn Gould

Die Idealisierung des Höreindrucks durch den Einsatz von Studiotechnik, wie sie die Musique concrète sucht und wie sie (ex post) in der produktiven Distanz zum Live-Konzert (Vgl. Kapitel 2.1) vorgenommen wird, verfolgte auch der kanadische Pianist Glenn Gould – aber mit einem anderen Medienverständnis und mit einer anderen Zielsetzung: Gould war auf der Suche nach der idealen Interpretation der Partitur und bediente sich dabei absichtsvoll der Schnittmöglichkeiten die das Tonband bietet. Er war mit den Schriften des Medienphilosophen Marshall McLuhan vertraut88

88 Vgl. Gould; Cott (1995, S. 93f).
und hat sich seit den frühen 70er Jahren zugunsten von Mikrophon und Tonband(schnitt) vollständig vom Konzertbetrieb89
89 Gould spricht von dem »Von-der-ersten-bis-zur-letzten-Note-und-zum-Teufel-mit-dem-Konsequenzen-Syndrom des Konzertsaals« mit seiner unzureichenden Raumakustik, dem störenden Publikum, und der Abhängigkeit von der je aktuellen Disposition des Aufführenden. Vgl. Gould (1987c, S. 161).
zurückgezogen.

»Technologie, so wie ich sie sehe, ist nicht primär ein Förderband für die Verbreitung von Information; sie ist nicht primär ein unverzüglich funktionierendes Relaissystem [...]. Denn die Technologie sollte meiner Ansicht nach nicht als ein unverbindlicher, ungebundener Voyeur behandelt werden; ihre Fähigkeit zur Zerlegung, zur Analyse – vor allem vielleicht zur Idealisierung eines Eindrucks – muß ausgenutzt werden, und kein Bereich, mit dem sie derzeit beschäftigt ist, demonstriert besser die philosophischen Konflikte, mit denen sich ihre Praktiker und Theoretiker allzu lange befaßt haben, als die Ziele und Techniken der Tonaufzeichnung.«90

90 Ebd. (S. 162f).

Gould bekannte sich unverblümt zu den Möglichkeiten der Täuschung und Manipulation mit Hilfe von Tonband und Schneidetisch. Emblematisch für das elektronische Zeitalter, so Glenn Gould, ist die Rolle des Fälschers, des unbekannten Herstellers unbeglaubigter Güter.91

91 Ebd. (S. 146).
Aus unterschiedlichen ›Takes‹ seiner Klaviereinspielungen wählte er einzelne Passagen aus und fügte, unterstützt von Tontechnikern,

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