mutiert zum Servomechanismus der Medien, genauso wie der Indianer der
Servomechanismus des Kanus- oder der Beamte der seiner Uhr ist. Die von Schaeffer
dezidiert beschriebenen Selektionsrichtlinien (Regeln) für die Erforschung des medialen
Klangraums bekunden seinen instrumentellen Zugriff auf die Medientechnik. Aber sind
die Medien in der Musique concrète wirklich nur Mittel für (künstlerische) Zwecke?
Wäre eine wissenschaftliche Analyse der Schaefferschen Intentionen für ein Verstehen
seiner Medienmusik hinreichend? Wenn man McLuhans Satz »the medium is the
message«87
87 »This fact merely underlines the point that ›the medium is the message‹
because it is
the medium that shapes and controls the scale and form of human association and
action. The content or uses of such media are as diverse as they are ineffectual in
shaping the form of human association. Indeed it is only too typical that the
›content‹ of any medium blinds us to the character of the medium.« Ebd. (S.
9).
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ernst nimmt, müßte die Geschichte der Musique concrète, die derzeit in erster Linie eine
ihrer Komponisten ist, auch als eine ihrer bislang wenig erforschten Medientechniken
geschrieben werden.
2.2.3. Glenn Gould
Die Idealisierung des Höreindrucks durch den Einsatz von Studiotechnik, wie
sie die
Musique concrète sucht und wie sie (ex post) in der produktiven Distanz zum
Live-Konzert (Vgl. Kapitel 2.1) vorgenommen wird, verfolgte auch der kanadische
Pianist Glenn Gould – aber mit einem anderen Medienverständnis und mit einer anderen
Zielsetzung: Gould war auf der Suche nach der idealen Interpretation der Partitur
und bediente sich dabei absichtsvoll der Schnittmöglichkeiten die das Tonband
bietet. Er war mit den Schriften des Medienphilosophen Marshall McLuhan
vertraut88
88 Vgl. Gould; Cott (1995, S. 93f).
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und
hat sich seit den frühen 70er Jahren zugunsten von Mikrophon und Tonband(schnitt) vollständig vom
Konzertbetrieb89
89 Gould spricht von dem
»Von-der-ersten-bis-zur-letzten-Note-und-zum-Teufel-mit-dem-Konsequenzen-Syndrom
des Konzertsaals« mit seiner unzureichenden Raumakustik, dem störenden Publikum,
und der Abhängigkeit von der je aktuellen Disposition des Aufführenden. Vgl. Gould
(1987c, S. 161).
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zurückgezogen.
»Technologie, so wie ich sie sehe, ist nicht primär ein Förderband für die
Verbreitung von Information; sie ist nicht primär ein unverzüglich funktionierendes
Relaissystem [...]. Denn die Technologie sollte meiner Ansicht nach nicht als
ein unverbindlicher, ungebundener Voyeur behandelt werden; ihre Fähigkeit
zur Zerlegung, zur Analyse – vor allem vielleicht zur Idealisierung eines
Eindrucks – muß ausgenutzt werden, und kein Bereich, mit dem sie derzeit
beschäftigt ist, demonstriert besser die philosophischen Konflikte, mit denen
sich ihre Praktiker und Theoretiker allzu lange befaßt haben, als die Ziele und
Techniken der Tonaufzeichnung.«90
Gould bekannte sich unverblümt zu den Möglichkeiten der Täuschung und
Manipulation
mit Hilfe von Tonband und Schneidetisch. Emblematisch für das elektronische Zeitalter,
so Glenn Gould, ist die Rolle des Fälschers, des unbekannten Herstellers unbeglaubigter
Güter.91
Aus unterschiedlichen ›Takes‹ seiner Klaviereinspielungen wählte er einzelne
Passagen aus und fügte, unterstützt von Tontechnikern,
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