- 20 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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die Komposition (1) mit einer geistigen Konzeption, (2) ihrer Niederschrift und (3) ihrer Ausführung mit Musikinstrumenten.

Bei der frühen Musique concrète standen die technischen Medien aber nicht im Vordergrund74

74 Heute profiliert sich die Pariser Schule u.a. auch mit der Entwicklung von Software (z.B. Steinberg GRM Tools).
, sie dienten mit ihren neuen Möglichkeiten lediglich der Umsetzung (technisch) erweiterter musikalischer Ideen des jeweiligen Komponisten. Pierre Schaeffer stellte prinzipielle Fragen zu einer neuen Musiklehre und einer neuen musikalischen Sprache:

»Wendet die technische Revolution, von der die Musik ergriffen wird, tatsächlich nur neue Mittel an, um wie bisher ›Musik zu machen‹, oder führt sie uns zur Entdeckung neuer Arten von Musik, die wir noch nicht zu machen und noch weniger zu hören verstehen? Anders ausgedrückt: Wie ordnen sich die Mittel den Zwecken unter? Geht der Geist der Musik [...] den Klängen voraus, und ist somit der Musiker der bevorzugte Vermittler einer ewigen Sphärenharmonie? Oder verhält es sich umgekehrt: entfaltet und erneuert sich das Musikalische aufgrund einer Klangpraxis, die sowohl auf der Ebene der Musiklehre wie auch der Sprache gelehrt wird?«75

75 Schaeffer (1974, S. 8) (Hervorhebungen im Original).

Musik nimmt erst im Klangwesen Gestalt an, »und zwar mittels eines Reichtums an Wahrnehmung, der hinter der Einfachheit der Notation verborgen bleibt«.76

76 Ebd. (S. 36).
Schaeffer unterscheidet zwischen dem Klangobjekt (objet sonore) und dem musikalischen Objekt (objet musicaux):

»Eine Zeitlang, zur Zeit der ’abstraktesten’, ’geschriebensten’ Musik, waren die klassischen Parameter ausreichend; sie führen jedoch die Zeitgenossen genau in dem Moment endgültig in die Irre, wo ihre Musik sich mit Hilfe immer komplexerer, immer mannigfaltigerer ’Klangobjekte’ oder ’musikalischer Objekte’ erweitert und verzweigt. Man muß unterscheiden zwischen dem Klangobjekt und dem Klangkörper oder der Apparatur, die sie hervorbringt, genauso wie man zwischen dem musikalischen Objekt und dem Schriftsymbol unterscheiden muß, mit dessen Hilfe es aufgezeichnet wird; beide sind Objekte der Wahrnehmung, genauer: Objekte des Hörens, und zwar eines ’reduzierten’, das heißt: eines von Hinweisen auf den Ursprung des Klangs (Klang als Indiz) oder auf seinen Sinn (Klang als Schriftzeichen) losgelösten Hörens77

77 Ebd. (Hervorhebungen im Original).

Ein Objekt ist keine Gegebenheit für sich selbst, sondern hebt sich vor einem Hintergrund ab oder ragt aus einer Kette von anderen Objekten heraus, von der es seinen Sinn empfängt. Solche Objektketten nennt Schaeffer Strukturen. Jedes Objekt bildet eine Struktur aus Objektbestandteilen (deren Verschiedenheit auf einer elementaren Ebene liegt), oder es gliedert sich in eine zusammengesetzte Struktur ein (hier handelt es sich um andere Objekte auf einer höheren Strukturebene). In der Art der Relation zwischen Objekt und Struktur liegt auch der Unterschied zwischen einem Klangobjekt und einem musikalischen Objekt. Musikalisch ist ein Objekt, wenn im Hinblick auf seine mögliche Integration eine musikalische Struktur gewählt wurde, und dies nach musikalischen Kriterien.


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