Im Zusammenhang mit den neuen musikalischen Verfahren einer spezifischen
Medienmusik, wie sie etwa Glenn Gould (s.u.), die Beatles oder die Beach Boys
angewandt haben, und wie sie hier untersucht werden sollen, schreibt Rolf Großmann,
daß sie einen neuen Mythos der »(Re-)produktionsmaschinen und ihrer Magier«
(Großmann) generieren.
»Nach dem Ende des auratischen Kunstwerks entsteht keine in und durch
die Medien neu vergesellschaftete Kunst, sondern es bilden sich neue, [...]
auf konkrete technische (z.B. ›analog‹ vs. ›digital‹) Verfahren und
Apparate
bezogene auratische Gegenstände.«54
54 Großmann (1999, S. 317).
|
Großmann erklärt, daß von einer künstlerischen Erschließung der technischen
Apparate
und Verfahren für die Musikkultur ausgegangen werden muß. An der Popularisierung
einer ›elektronischen‹ Musikkultur mit technischen (Re-)Produktionsmedien waren
unter anderen, aber mit einem großen Anteil, die DJs beteiligt. In der »DJ
Culture« (Poschardt) ist eine Fetischisierung von Aufnahmemedien wie der
Vinylplatte oder dem Schallplattenspieler (insbesondere der Technics SL 1200
MK255
55 Vgl. Kapitel 4.1.1 »Schallplatte«.
|
)
genauso beobachtbar wie die Entwicklung eigenständiger musikalischer und technischer
Verfahren mit den »(Re-)Produktionsmaschinen«.
2.1.4. Zusammenfassung
Die Entwicklungen und Erweiterungen der (Re-)Produktionstechnologien, so wie wir sie
heute kennen, war für Benjamin 1936 noch Zukunftsmusik. Im Verbund mit den je
aktuellen technischen Verhältnissen, haben sich, im Anschluß an Benjamins These vom
Ende der Aura, neue Beobachtungsperspektiven entwickelt, die den Aurabegriff und
seinen Gegenstandsbereich modulieren. In der Literatur lassen sich, aus jeweils
unterschiedlichen Perspektiven beobachtend, zwei Positionen zur Aura in den
Reproduktionsmedien zusammenfassen: Eine der »Aura-Konservierung« (Adorno, Bickel,
Diedrichsen, Goodwin, Großmann) und eine vom Ende der Aura (Benjamin, Poschardt,
Toop).
In Bezug auf die als Frage formulierte Überschrift dieses Kapitels
»Original und
technische Reproduktion – Abbild oder produktive Distanz?« kann zusammenfassend gesagt
werden, daß eine Reduktion in der Beobachtung von Reproduktionsmedien auf ihre reine
Abbildfunktion als neutrale Behälter oder Zwischenstationen, die über zeitliche und
räumliche Distanzen hinweg zwischen Input und Output ›ver-mitteln‹, zu kurz greift.
Eine Beschreibung von technischen Reproduktionen, »die an der Erkennbarkeit der
Individualform nichts ändern, ihr nicht ›schaden‹, sondern nur den Zugang zu ihr
erleichtern«56 ,
aus der lediglich folgt, »daß eine neue Form entsteht: die Unterscheidung von Original und
Copie«57,
ist vor dem Hintergrund einer Evolution der Medientechnik von der Phonographenwalze bis
zu den digitalen Reproduktionsmedien um die jeweils neu hinzugewonnenen Handlungsoptionen
und den daraus resultierenden Formen der Medialisierung und der
|