- 14 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Die Medienarchive der Rock- und Popgeschichte werden heute aber nicht ausnahmslos im ›Aura-Modus‹ einer mythologisch aufgeladenen Zeitzeugenschaft gehört, bzw. unter diesem Aspekt enteignet. Samples werden, z.B. in der Musikpraxis der Disk- und Datajockeys, auch als reines Medienmaterial, ohne ein besonderes Geschichtsbewußtsein, in neue Kontexte eingebunden:

»Each and every sample is fragmented and bereft of prior meaning, kind of like a future without a past.«48

48 DJ Spooky, http://www.detritus.net (12.11.1999).

»Selbst ›Geschichte‹ glaubt man aus den Tönen herauszuhören, insbesondere aus Samples, die aber keine Geschichtszitate sind, sondern Bezugnahmen auf heute gültige Konventionen und Images.«49

49 Jacob (1997, S. 25).

Anders als Diedrichsens Verständnis der »New School of Hip Hop« beschreibt David Toop die Musikpraxis der afro-amerikanischen »Old School of HipHop« der späten siebziger Jahre nicht in der Funktion einer spezifischen, tribalistischen Staatengründung schwarzer Kultur und Identität, sondern hebt die absichtsvolle Referenzlosigkeit der experimentierfreudigen DJs jener Zeit hervor.

»Vieles an der Macht und Aura der Disc-Jockeys hängt von ihrer Fähigkeit ab, seltene, unbekannte Platten zu finden, die einem Publikum gefallen. Das konnten Raritäten sein, Testpressungen mit einem weißen Label ohne Informationen, Vorabveröffentlichungen für Presse oder Radio, die nicht auf den Markt gekommen sind, unveröffentlichte Bänder oder Preßvorlagen oder einfach gute Songs, die bei ihrer Veröffentlichung durch das Sieb gefallen sind. Hinzu kommt die Schwierigkeit, Songs zu identifizieren, wenn sie zu Teilen von Collagen werden, wie bei den B-Boy-DJs, so daß die Disc-Jockeys in der Bronx irgendwann den Ruf eines ’Meisters der Schallplatten’, eines Archivars seltsamer und überraschender Sounds hatten. Ihre Geheimnistuerei steigerte sich in das Baden von Schallplatten, bis das Label abgeht, damit keiner weiß, was es ist, oder dem Überkleben durch neue, erfundene Etiketten.«50

50 Toop (1994, S. 99).

Ulf Poschardt schreibt über den Umgang des DJs mit den »Fast-Originalen«51

51 Poschardt (1997, S. 227).
: Die Plattenkiste, sei schwer, denn »sie ist voller Aura. Aura, die nichts mehr bedeutet.«52
52 Ebd.

»Die Aura beschränkt sich für den DJ bestenfalls auf das Kratzen und Knacken der Nadel in den Rillen der Vinylplatte. Der DJ arbeitet in einem Reich der Reproduktionen. Originale sind für ihn uninteressant, weil er sie nicht für seine Arbeit einsetzen kann. Und mit dem Reproduzieren seiner Künste auf Vinyl sind die (reproduzierten) Platten in die Rolle der Originale gerutscht, ohne eben Originale sein zu können oder gar zu wollen. Der DJ ist also völlig entspannt, wenn man ihn mit dem Verlust des Hier und Jetzt behelligt, und runzelt verwundert (amüsiert?) die Stirn, wenn ihm Benjamins Theorie der Popkultur vorgetragen wird.«53

53 Ebd. (S. 226).


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