Die ›Originalaufnahme‹ ist hier ein Ergebnis des
Tonbandschnitts; ein Stückwerk, das
sich von dem ›realen‹ Konzertereignis in die Richtung der illusionären Natur zweiten
Grades (Benjamin) entfernt hat. Das Endprodukt der technisch künstlerischen
Bemühung ist nicht identisch mit dem Live-Konzert. Das »Werk« präsentiert
sich in einer Gestalt, »die zwar seine Aufführung vor dem Schallplatten- und
Tonbandkonsumenten simuliert, mit dieser aber in Wirklichkeit nichts zu tun
hat.«34
Die ontologische Vorstellung von der ›Realität‹ des Live-Konzerts verschwindet
hinter den Spielarten des Realen einer künstlich wiederhergestellten Welt der
Simulation35
35 Vgl. Baudrillard (1978, S. 19).
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,
die unmittelbar in die digitalen Welten des »als
ob«36
36 Tholen (1997, S. 101).
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der PC-Tonstudios und des ›Super Digital Transfers‹ (s.o.) von heute führt. Das analoge
(und rituelle) Konzert wird dabei durch etwas vollständig anderes ersetzt, das mit dem
ursprünglichen Ereignis nur noch seinen Namen teilt.
2.1.3. Die Aura in/der (Re-)Produktionsmedien
In den Speichermedien totgestellt, dem »schäumenden
Leben«37
37 Fischer (1986, S. 14).
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entrissen, »in
der Schrift erstummt«38
38 Fischer (1986, S. 15).
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,
können technische Reproduktionen aber auch als eindeutig referenzierbare Originale
einer wie auch immer manipulierten Musik im Sinne von Ernst Krenek (s.o.) angesehen
werden.39
39 »Erst im Zustand einer konkreten Materialität vermag Musik, da nunmehr
unveränderbar und wiederholbar, Identität zu erlangen, in dem Sinne, daß die einer
einzigartigen Aufführung immanenten musikalischen Charakteristika durch ihre
Wiederholbarkeit konkretisiert und objektiviert zu werden vermögen.« Schläbitz (1997,
S. 62).
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Hier kann man nun fragen, ob sich Benjamins oben beschriebene politische
Hoffnung tatsächlich erfüllt, und die Kultgegenstände der Kunst durch ihre
(massenweise) Ausstellung entfetischisiert und entmythologisiert werden, die
ungeliebte Aura also von den Reproduktionsmedien zu ihrem Ende geführt
wird. Hat die Benjaminsche Aufklärung durch Vervielfältigungstechnologie
tatsächlich stattgefunden oder konnte sich sein Aurakonzept in den »Welten der
Medien«40
repositionieren? Die auratische Dimension der Geschichtlichkeit wird gemäß Benjamin durch ihre
technische Reproduktion, außer Kraft gesetzt: »Sie fixiert [...] den Augenblick nicht mehr als
unverrückbar.«41
41 Bickel (1992, S. 115).
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Massenweise auftretendes Reproduktionsgut verwandelt außerdem Ferne durch ständige
Verfügbarkeit in Nähe – das Ende der Aura scheint damit besiegelt.
Der amerikanische Musiktheoretiker Andrew Goodwin schreibt, anders als Benjamin,
über die heutigen Reproduktionsformen der digitalen Medien, speziell zu den
Verfahren des Samplings in der Popmusik, daß diese noch den alten Gesetzen der
romantischen Ästhetik gehorchen, da die beiden Instanzen der klassischen Moderne –
Autor und Aura – das postmoderne Plündern und Zitieren überlebt hätten.
Goodwin geht davon aus, daß mit den digitalen Technologien jede angefertigte
Kopie mit ihrer Vorlage, dem »Original«, identisch ist, und Aura damit zum
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