- 109 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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gespielt und vom Publikum massenweise konsumiert. Ernster, als eine bewußt in Musik gefasste, kritische und gleichzeitig öffnende Grenzüberschreitung, wird sie im jeweils besten Fall z.B. von der Pop-Avantgarde oder von der Neuen Musik aufgeführt (Stichwort John Cage).

Luhmanns These einer evolutionären Steigerung von Medium und Form-Verhältnissen steht, auch bei den Formen der Medialisierung und spätestens seit ihrer Ankunft in den Computermedien, selbst wieder unter Verdacht, als ein Fall loser Verknüpfungen Medium für Formen zu sein. Martin Seel kommentiert:

»An dieser Stufung des Verhältnisses von Medium und Form, bei der einem schwindelig werden kann, wird zum einen die Relativität der Medien deutlich. Es gibt keine letzten Elemente, aus denen die Elemente aller anderen Medien und ihrer möglichen Formen gebildet wären. Jede, auch jede vermeintlich ›letzte‹ Unterscheidung spielt sich in einem Raum von Unterschieden ab, die nicht zugleich Gegenstand dieser Unterscheidung sein können. Zum anderen bestätigt sich hierin erneut die wechselseitige Abhängigkeit von Medium und Form. Medien sind Medien für Formen, Formen sind Formen in Medien.«6

6 Seel (1998, S. 247): (Hervorhebungen im Original).

Hier schließt sich der Kreis zu den neuen Beobachtungsverhältnissen einer differenzbewußten, medial geprägten Kultur, die die Medium-Form-Differenz selbst als Meta-Medium durch Formen7

7 Mit Joachim Paech genauer: Figuren.
ihrer ästhetischen Inszenierung zur Erscheinung bringt. So leuchten etwa die analogen Medien auf den Displays der digitalen Medien in einem anderen Licht und stehen als lose gekoppelte Elemente zur Disposition. Von ihren materiellen Grenzen ›befreit‹, werden die Formen analoger Medien in den Figuren ihrer Auflösung und intermedialen Rekombination in die digitalen Medien ›über-setzt‹, ›re-formuliert‹, Meta-Medium. Als Derivat gewinnen dadurch die analogen Originalgeräte und Verfahren wieder an Attraktivität.

Die in diesem Text beschriebenen Formen der Medienmusik rekurrieren auf musikwissenschaftliche und andere Schriften zum Thema. Besonders auffällig bei diesen Texten ist, daß Medienmusik häufig mit dem Begriffsarsenal einer technisch vormedial geprägten, traditionellen Musikwissenschaft zur Sprache gebracht wird. Der Schallplattenspieler wird zum Musikinstrument, Scratchen ist perkussiv etc. Demgegenüber ist der Londoner Musikjournalist, Kodwo Eshun mit seiner 1998 erschienen »Sonic Fiction« auf der Suche nach einer neuen Sprache für Medienmusik.

»Bewunderer von HipHop rühmen an Skratchadelia immer ihre perkussiven Qualitäten. Aber das ist so faul wie ungenau. Scratchen bedeutet, die Turntables in Tongeneratoren zu verwandeln, einen Gewohnheitszerstörer, einen Wort-Molekularisator. Skratchadelia sind weniger ein Zusammenwirken von Rhythmen als vielmehr deren Trümmer, die rhythmisch werden. Sie ›perkussiv‹ zu nennen ist so schwachbrüstig wie die Bezeichnung ›Drum-Machine‹ für einen Rhythmussynthesizer und stellt bloß ein weiteres Beispiel für die Absorption von Zukunftsschocks und das Hören im Rückspiegel dar, die dich vor dem beschützen sollen, was du hörst – und was eher Frequenzen sind als Kickdrums, eine Gewalt, die dem Vinyl angetan wird [...].«8

8 Eshun (1999, S. 17).


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