- 110 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (109)Nächste Seite (111) Letzte Seite (123)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Mag man die Unzufriedenheit Eshuns darüber, wie über Musik gesprochen und geschrieben wird, auch teilen, seine metaphernreichen Wortspiele können eine wissenschaftlich ,›scharfe‹ Begriffsbildung nicht ersetzen. Wenn die Musikwissenschaften einen Theoriebeitrag zur heutigen medialen Musikpraxis leisten wollen, dann gilt es neue Methoden und Sichtweisen zu probieren, die sich aus interdisziplinären Theorietransfers gewinnen lassen. Eine differenztheoretische Beobachtung von medienästhetischen Phänomenen mit dem Schema Medium und Form aus dem Theorieangebot der Systemtheorie stellt einen derartigen Versuch dar. Medium und Form erscheint geeignet, weil sich damit komparatistische Modelle formulieren lassen, die den Antagonismus zwischen medialer und nicht-medialer Musik auf einen gemeinsamen Nenner (Medium und Form) bringen. Damit öffnen sich Möglichkeiten zu einer erweiterten Beobachtung der Problemfelder in den Texten zur Musik, mithin zu einer methodisch gestärkten Diskursanalyse. Für die Analyse des perkussiven Scratchens kann z.B. mit Medium und Form beobachtet werden, daß der »Gewohnheitszerstörer« bei Eshun eine Figur der Intermedialität ist. Ein Medium der technischen (Re-)Produktionmedien (der horizontalen Zeitachsenmanipulation des Pitch Shiftings mit der Schallplatte) verschmilzt mit dem Musik-Medium Rhytmus zur intermedialen Figur »Scratchen«. Die »Zukunftsschocks« der Medienmusik resultieren aus der Lust an der Inszenierung von medialer Differenz. Der Reiz des DJings liegt, elektronisch verstärkt, in der paradoxen Bewegungen des gleichzeitigen Verschwindens9
9 Beim Scratchen in der Verzeitlichung der Auflösung des Signals.
und Verschmelzens, der Lust am Übergang, dem provokativen Moment in der Überschreitung.

Während die (Re-)Produktionsmedien mit ihren neuen auditiven Erlebnisräumen im ›Ocean of Sound‹ die Musiker auf Entdeckungsreisen locken, gewinnt die Musikwissenschaft neue Beobachtungsperspektiven (zweiter Ordnung), die ein erweitertes Verständnis der Konstruktionen von Musik, der Musikwissenschaft selbst und ihrer Kulturgeschichte(n) in Aussicht stellen – man muss nur sehen und hören wollen.


Erste Seite (i) Vorherige Seite (109)Nächste Seite (111) Letzte Seite (123)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 110 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien