Mag man die Unzufriedenheit Eshuns darüber, wie über Musik
gesprochen und
geschrieben wird, auch teilen, seine metaphernreichen Wortspiele können eine
wissenschaftlich ,›scharfe‹ Begriffsbildung nicht ersetzen. Wenn die Musikwissenschaften
einen Theoriebeitrag zur heutigen medialen Musikpraxis leisten wollen, dann gilt es
neue Methoden und Sichtweisen zu probieren, die sich aus interdisziplinären
Theorietransfers gewinnen lassen. Eine differenztheoretische Beobachtung von
medienästhetischen Phänomenen mit dem Schema Medium und Form aus dem
Theorieangebot der Systemtheorie stellt einen derartigen Versuch dar. Medium und
Form erscheint geeignet, weil sich damit komparatistische Modelle formulieren lassen,
die den Antagonismus zwischen medialer und nicht-medialer Musik auf einen
gemeinsamen Nenner (Medium und Form) bringen. Damit öffnen sich Möglichkeiten zu
einer erweiterten Beobachtung der Problemfelder in den Texten zur Musik,
mithin zu einer methodisch gestärkten Diskursanalyse. Für die Analyse des
perkussiven Scratchens kann z.B. mit Medium und Form beobachtet werden, daß der
»Gewohnheitszerstörer« bei Eshun eine Figur der Intermedialität ist. Ein Medium der
technischen (Re-)Produktionmedien (der horizontalen Zeitachsenmanipulation des Pitch
Shiftings mit der Schallplatte) verschmilzt mit dem Musik-Medium Rhytmus zur
intermedialen Figur »Scratchen«. Die »Zukunftsschocks« der Medienmusik resultieren
aus der Lust an der Inszenierung von medialer Differenz. Der Reiz des DJings
liegt, elektronisch verstärkt, in der paradoxen Bewegungen des gleichzeitigen
Verschwindens9
und Verschmelzens, der Lust am Übergang, dem provokativen Moment in der
Überschreitung.
Während die (Re-)Produktionsmedien mit ihren neuen auditiven Erlebnisräumen im ›Ocean of Sound‹ die Musiker auf Entdeckungsreisen locken, gewinnt die Musikwissenschaft neue Beobachtungsperspektiven (zweiter Ordnung), die ein erweitertes Verständnis der Konstruktionen von Musik, der Musikwissenschaft selbst und ihrer Kulturgeschichte(n) in Aussicht stellen – man muss nur sehen und hören wollen.
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