- 108 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Kunst beschreibt Niklas Luhmann als Steigerung des Auflöse- und Rekombinationsvermögens, als Entwicklung immer neuer Medien für Formen1

1 Luhmann (1986, S. 11).
, bis hin zu einer durch ihren Perspektivenwechsel folgenreichen Reflexion der Differenz Medium/Form selbst. War das Programm der technischen (Re-)Produktionsmedien zunächst die Reproduktion und damit das Verbergen des Medialen zugunsten einer Fortsetzung der Einheit des Werkes, die sich durch Singularität, Urheberschaft und Aura definierte, führte die (massenweise) Reproduktion in der Moderne zu neuen, selbstreflexiven Beobachtungsperspektiven, die die blinden Flecke ihrer Aporien evident machten. Unter diesen Bedingungen wird die Moderne mit ihrer Vorgeschichte und ihrem Fortschrittsprogramm seither zunehmend »in die Kontingenz ihrer Erscheinungen, ihrer Widersprüche und Risiken«2
2 Paech (1999, S. 26).
aufgelöst. Die Postmoderne verfolgt Strategien der (Re-)Produktion, die statt auf Einheit und Identität auf »radikale Differenz«3
3 Jameson (1993, S. 75).
setzen.

»Das Kunstwerk ist nicht länger einheitlich oder organisch, sondern praktisch eine Wundertüte oder Rumpelkammer voller zerstückelter Subsysteme, zusammengewürfeltem Rohmaterial und Impulse aller Art. Mit anderen Worten: Aus dem Kunstwerk ist ein Text geworden, dessen Lektüre eher in einem Prozeß der Differenzierung als der Vereinheitlichung verfährt.«4

4 Ebd. Dem medientheoretisch sensibilisierten Leser fällt auf, daß alle Mediensorten umstandslos als Text gefaßt werden, um sodann für poststrukturalistische und andere Methoden der Textanalyse zur Verfügung zu stehen. »Wundertüte« und »Rumpelkammer«, sprich Medientechnik, wird ausgeklammert.

Postmoderne Produktionen verstehen sich als Umdeutungen: Dekontextualisierung und Rekontextualisierung unter neuen Bedingungen. Hierzu ein längeres Zitat von Niklas Luhmann:

»Zur geläufigen Diskussion über Postmoderne führt die Frage zurück, was mit den geschichtlich bewährten, aber heute überholten Formen geschehen soll. Sie werden als Material verwendet. Man könnte aber auch sagen: als Medium für die Bildung neuer Formen, die durch Rekombination gewonnen werden. Das wird für die Formenwelt der Kunst diskutiert, könnte aber auch für die Begriffswelt der Wissenschaften oder anderer intellektueller Diskurse gelten. Mit postmodernen Formen wird ein Wiedererkennen ermöglicht – und zugleich verboten. Man soll sich mit dem Vergnügen des Wiedererkennens – wenn zum Beispiel von ›Subjekt‹ oder von ›Demokratie‹ die Rede ist – nicht begnügen. Das wiederverwendete Formenarsenal ist anders gemeint. Die überlieferten Formen sind, bei aller scheinbaren Seinsfestigkeit, nur noch ein Medium der Selbstverständigung unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen.«5

5 GdG (S. 1148) (Hervorhebungen im Original).

Medienmusik wirkt in der Gesellschaft wie ein Katalysator, der die Kontingenzerfahrungen einer virulenten Differenzkultur mit ihren technischen (Re-)Produktionsbedingungen musikalisch exponiert. Lustvoll und affirmativ wird Medienmusik gerne als Opiat gegen den schmerzlichen Verlust einer ›heilen‹, mit sich selbst identischen Welt von den Stars der Pop- und DJ Kultur (Stichwort »Loveparade«)


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