folgende Momente zum Vorschein bringt: Die halbtaktige melodische
Figur der linken Hand in Takt 24 f. ist eine unmittelbare variierenden Fortsetzung
der entsprechenden Baßfigur von Takt 22 f. (vgl. Notenbeispiel 1). Daneben
ist die konkrete Einzelgestaltung der linken Hand in diesen beiden Takten eine
Art Vermittlung zwischen der eher kleinräumig disponierten melodischen
Figur in Takt 24 f. und den auffälligen, bis zum Abstand von zwei Oktaven
reichenden Lagenwechseln der Baßtöne der voraufgehenden Themenexposition.9
9 Diese Baßtöne – wie die
des gesamten Hauptthemas – sind nicht, wie die Anordnung der Bögen
etwa in der Henle-Ausgabe (München 1976) bei allzu wörtlicher
Auffassung nahelegen könnte, staccato zu spielen. Wie auf dem Faksimile
der ersten Notenseite des Autographen (abgedruckt in: Jan Ekier, Fryderyk
Chopin. Ballady. Komentarze zrodlowe, Kraków: Towarzystwo
im. Fryderyka Chopina. Polskie Wydawnictwo Muzyczne 1970, S. [125]),
aber auch dem der entsprechenden Seite der deutschen Erst-ausgabe (a.
a. O., S. [126]) unschwer zu erkennen, sind die Bögen an jenen
Stellen, an denen auch die rechte Hand Teile der Begleitung zu spielen
hat, oberhalb der Akkorde (aber unter den Bögen der Melodie) angebracht,
d. h. sie gelten schon rein optisch durch die Öffnung des Bogens
nach unten zugleich auch für die linke Hand (dies wird besonders
evident im Autographen, wenn dort – im Unterschied zu den
gedruckten Ausgaben – auch von der rechten Hand zu spielende Töne,
etwa g und a in Takt 11 im unteren System notiert sind, das durch gemeinsame
Behalsung ihnen zugeordnete cis1 dann aber im oberen.). Will
man, aus welchen Gründen auch immer, wie in der Henle-Ausgabe die
Bögen der rechten Hand unter die Noten, d. h. mit der Bogenöffnung
nach oben, setzen, so wäre es zu überlegen, ob die Bögen
nicht – wie etwa in den analogen Takten 96 ff. in der französischen
Erstausgabe (Faksimile, a. a. O., S. [127]) – sowohl für
die linke, wie auch die rechten Hand (d. h. für das obere und das
untere System) zu setzen, d. h. gegebenenfalls für die Baßtöne
zu ergänzen wären (unglücklicherweise sind in der französischen
Erstausgabe irrtümlich in Takt 95 im oberen System die Bögen
vergessen worden; ab Takt 99, 2. Hälfte, und in den folgenden Takten
jedoch stehen weder in der rechten, noch in der linken Hand Bögen,
hier ist die Staccato-Spielweise – auch der Satz ändert sich
ab jener zweiten Takthälfte – wohl beabsichtigt, d. h. umgekehrt
die Bogen-Ergänzung der Henle-Ausgabe in Takt 100 irreführend).
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Darüber hinaus ist der
Bau des Basses in Takt 22 f. eine genuin klavierspezifische Erfindung Chopins:
die Idee des Liegenlassens eines Tones – der halben Note –, das
dazu zwingt, für das Spiel der beiden anderen Töne – die Non-legato-Viertel
– eine Art Überschlagen der Hand zu vollziehen, um den Daumen zum
Zweck der Einhaltung der geforderten Tondauer auf der Taste verbleiben lassen
zu können, ist eine pianistische Finesse, die übertragen auf ein anderes
Instrument witzlos würde.10
10 Mögliches Vorbild ist die von Chopin
geschätzte As-Dur-Sonate op. 26 von Beethoven. Dort findet sich
im 11. Takt der 1. Variation in der linken Hand eine vergleichbare pianistische
Problematik.
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Sollen nun die genannten,
sowohl das Vorhergehende wie das Nachfolgende betreffenden motivisch vermittelnden
Beziehungen spieltechnisch verdeutlicht werden, so ist eine genaue Kontrolle
der Lautstärke der beteiligen Töne (um von der exakten Einhaltung
der Tondauern gar nicht erst zu sprechen) vonnöten. Einerseits ist so zu
disponieren, daß die beiden im Oktavabstand befindlichen Töne, die
ja zu hoher klanglicher Verschmelzung neigen, als – insbesondere artikulatorisch
– getrennte Ereignisse aufgefaßt werden, und andererseits so, daß
der jeweils zweite Non-legato-Ton als eine über den Oktavabstand hinausgehende
Fortsetzung des jeweils ersten unmittelbar sinnfällig wird. (Daß
der „natürliche“, unkontrollierte Bewegungsablauf der Spielapparatur
eben dieser Gestaltung gewissermaßen entgegenwirkt, sei eigens vermerkt.)
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