- 81 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (80)Nächste Seite (82) Letzte Seite (169)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Gestischer Ausdruck und adäquate musikalische Ausführung unterliegen somit einer mehrfachen Kontrolle, was zuweilen belastend, aber unerläßlich ist, so daß das direkte Musizieren innerhalb der Gruppe in allen Ausbildungsschritten dem weitverbreiteten vierhändigen Klavierspiel symphonischer Werke aus schulpraktischen Gründen allemal, aber auch dirigierpädagogisch unbedingt vorzuziehen ist.


Eigene häusliche Vorbereitung am Klavier gehört zu den Schulaufgaben der Studierenden (hier stellt sich für schwache oder Nicht-Pianisten allerdings ein kaum lösbares Problem), sie muß und kann jedoch nur mit der Gruppe umgesetzt werden.


Jeder Studierende sieht sich innerhalb der Gruppe als Doppelwesen, als Ensembleleiter bringt er in seine Dirigier- und Probentechnik die eigene Spielerfahrung ein und weiß ein besonders „dirigiersensibles“ Orchester vor sich, als Instrumentalist reagiert er aufgrund eigener Dirigiererfahrung aufmerksamer und analysierend auf die dirigierenden Kollegen. Problematische Sachverhalte werden benannt, besprochen, korrigiert, geübt – eine Szenerie, die in jeder Situation außerhalb der Ausbildung undenkbar ist, da das musikalische Ziel und nicht der Weg, den der Dirigent dorthin wählt, im Mittelpunkt steht. Die Intensität dieser Korrekturen und Übungen kann jedoch bei einer kurzen Ausbildungsdauer nicht in dem wünschenswerten und notwendigen Umfang erfolgen.


Ferner kann das neben dem Kanon der Dirigierfiguren wichtigste handwerkliche Feld jeglicher Ensemblearbeit, die Hörschulung, ausschließlich nur in der Gruppe ausgebildet werden. Intonationskorrekturen gehören zum grundlegendsten, aber auch empfindlichsten Terrain jeder Probenarbeit.

Dreidimensionales Hören“ von vertikalem (Harmonie) und horizontalem Klang (Mischung der instrumentalen Klangfarben, Intonation) sowie die „3-D-Tiefen-wirkung“ ihrer Balance im Gesamtklang (Dynamik, Artikulation, Agogik) kann ausschließlich nur mit einem musizierenden Ensemble erlernt werden.16

16Kondraschin, a. a. O. (s. Anm. 1), S. 18, spricht noch von „stereophonem“ Gehör des Dirigenten. Die inzwischen visuell angebotene Dreidimensionalität läßt den akustischen Vergleich jedoch noch „plastischer“ werden.

Hierfür das dirigentische Ohr zu schulen setzt voraus, Unsicherheiten zugeben und mit verständnisvoller Geduld der ebenfalls in diese Situation kommenden Kommilitonen rechnen zu können.

Nahezu beiläufig treten Schwächen im Instrumentalspiel und Unfähigkeit des prima-vista-Spiels ebenso auf wie solistische Ambitionen und mangelnde Anpassungsfähigkeit


Erste Seite (1) Vorherige Seite (80)Nächste Seite (82) Letzte Seite (169)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 81 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik