- 77 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Ensembleleiter ebenso zugute wie ein sympathisches, entscheidungsfreudiges und motivierendes Wesen. Bei Studierenden der Schulmusik sollte man zwar von einem Reifungsprozeß durch bewußte Persönlichkeitsreflexion in allen künstlerischen Ausbildungsfächern ausgehen, doch allzu oft droht dies in der Ensembleleitung durch die Konzentration auf gestische, verbale und auditive Spezifika dirigentischen Tuns überdeckt zu werden.


Als psychologische Anforderung ergibt sich somit für die gesamte Ausbildungszeit eine positive, motivierende Gestimmtheit, eine Balance von Geben und Nehmen. Konkret bedeutet dies: die Autorität des Ensembleleiters muß sich kultivieren zu technischen Hilfeleistungen und überzeugender Umsetzung des künstlerischen Gestaltungswillens (= Geben) sowie zu Erkennen und Bündelung verschiedener, im Ensemble aufeinandertreffender musikalischer Anlagen und individueller Erwartungen (= Nehmen) unter Berücksichtigung vorgegebener Zielsetzungen und Leistungsgrenzen.


Ein zweiter grundlegender Bereich, das dirigentische Handwerk, ist als gestische Ausdrucksgestaltung in oft unterschätztem Maße von den Persönlichkeitsstrukturen des einzelnen Studierenden abhängig.


Viele Lehrbücher des Dirigierens beschränken sich zunächst auf die Darstellung der „Schlagfiguren“ und damit auf die Tätigkeit der Hände und Arme.10

10 Besonders ausgeprägt zeigt sich dies bei Heinz-Christian Schaper, dirigieren compact. Grundwissen und Übungen, München 1977, aber auch bei Standardwerken wie Scherchen (a. a. O. [s. Anm. 1]) oder Hermann Dechant, Dirigieren. Zur Theorie und Praxis der Musikinterpretation, Wien 1985, Teil II, S. 179 ff., ist diese Tendenz unverkennbar.

Mit allgemein zunehmender Aufmerksamkeit für Körperschulung, ganzheitliches Körperbewußtsein, An- und Entspannungsvorgänge der Muskulatur muß auch das Dirigieren im Verbund einer gesamtkörperlichen Lockerung gesehen werden.11
11 Diesbezüglich findet sich bei Jungheinrich (a. a. O. [s. Anm. 7]) ein durchaus ernsthafter und ernst zu nehmender Ansatz aus dem Blickwinkel des Konzertbesuchers. Der Betroffene selbst mag je nach individueller und körperlicher Biographie den für ihn hilfreichen Ansatz benachbarter Disziplinen wählen. Denkbar wäre eine Bewegungsschulung nach Moshé Feldenkrais (Bewußtheit durch Bewegung, Frankfurt a. M. 1968) ebenso wie unter sportwissenschaftlichem Aspekt, z. B. nach Hartmut Baumann / Herbert Reim (Sport – Bewegungslehre, Frankfurt a. M. 1984) u. a.

Die „Wechselbeziehung von Körper und Musik“ als Ausgangsbasis für die Aufgabe des Dirigenten, „ein Werk anderen durch seinen Körper so mitzuteilen, daß sie es zum Klingen bringen können“, wird zunehmend erkannt.12
12 Martin Wolschke, Elementare Dirigierlehre, Mainz 1986 (= Schott Bausteine zur Musikerziehung), S.11.

So, wie beim Sport das Aufwärmtraining, beim Chorsingen Stimmbildungs- und Atemübungen am Anfang stehen, ist Ähnliches für das Instrumentalspiel und Dirigieren


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