- 47 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Bezüglich der Verwendung von Rezitativen geht Buschmann auf eine Bemerkung des Bettlers im Prolog (des Originals) ein: „I hope I may be forgiven, that I have not made my Opera throughout unnatural, like those in vogue; for I have no Recitative [...]“.31

31 In der Übersetzung Buschmanns: „Ich hoffe, man wird es mir vergeben, daß ich meine Oper nicht ganz und gar unnatürlich gemacht habe, wie diejenigen, die itzt Mode sind, denn ich habe keine Recitative [...].“

Buschmann fragt,


welches besser sey, den Dialog in Prose oder in Recitativen zu schreiben. So viel ist ausgemacht, man verliert auf beiden Seiten, und ich bin nichts weniger, als geneigt, einem oder dem andern den Vorzug zu geben, geschweige, daß ich mich ausschließungsweise für eines erklären sollte. Wählt man den ersten Weg, so wird ein Liebhaber der Musik vielleicht die Recitative vermissen, eine Art des Gesanges, die ohne Zweifel große Annehmlichkeiten hat. Allein auf der andern Seite ist auch das gewiß, wenn überhaupt eine prosaische Komödie ihre Vorzüge vor der versificirten besitzt, wie ich doch überzeugt bin, so sehr ich auch sonst die Poesie liebe, indem die wahre und naive Sprache des gemeinen Lebens sich besser in Prose ausdrücken und empfinden läßt, vorzüglich in Rücksicht auf jene Täuschung, welche die Seele des Drama zu heissen verdient: so gilt dieses noch weit mehr von der komischen Oper. [...] Dieß wäre also das Erste: Man genießt, wenn der Dialog in Prose ist, zugleich das Vergnügen der Komödie und das Vergnügen der Oper! Den zweiten Vortheil setze ich in die Abstechung oder Ueberraschung, wie man es nennen will; in den Uebergang von der Prose zur Musik, der auf mich wenigstens allemal eine sehr glückliche Wirkung gemacht hat.32

32 Anhang... 1770, S. 125 f. (textgleich in Nachricht...).


Über Änderungen, die über eine einfache Übersetzung hinausgehen, äußert sich Buschmann bezüglich beider Fassungen allgemein so:


Derjenigen Scenen, die ohne alle Aenderung aus dem Englischen übertragen worden, kann man also keine einzige, solcher, in welchen das Meiste übersetzt ist, wird man verschiedene, und fast eben so viele finden, die dem deutschen Verfasser ganz oder größtentheils eigenthümlich gehören.


Fragt man nach den wesentlichen Gründen für eine Straßenräuber-Neufassung in „ziemlich veränderte Gestalt“, so kommt die „Morality Question“ erneut in den Blick. Rückblickend auf die Rezensionen der Schleichhändler von 1775 schreibt Buschmann 178033

33 Ehrenfried Engelbert Buschmann, Ferien, a. a. O. (s. Anm. 12).

:


[...] räume ich ein, daß im Dialog Manches von dem Komischen verlohren gegangen; zum Exempel, wenn Filch erzählet, daß er sich das mit ein wenig Geld verdiene, die Weibsbilder gegen die Zeit ihrer Hinrichtung zu schwängern, und Lockit deswegen von ihm sagt, er sehe halb verhungert aus, recht als ein ausgenommener Hering. Das ist die wahre starke vis comica! – Aber mit Erlaubniß, ich halte noch mehr auf die Anständigkeit, als auf das Komische, so wohlthätig auch das Leztere für Gemüth und Körper ist. Die gesunde Moral ist mir so wichtig, daß ich ihr gern Alles aufopfere, und ich sollte dergleichen platte Dinge nicht weglassen?

Unter dem Gesichtspunkt von „Anständigkeit“ und „gesunder Moral“ wechselt Buschmann das Vergehens-Milieu vom kriminellen Straßenraub zum (fast schon entschuldbaren) Schmuggel und läßt ein ganz anderes Stück entstehen.



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