- 27 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Paul Hindemith besaß in den zwanziger Jahren das Image des Bürgerschrecks. Um 1930 herum versuchte er, von diesem Ruf loszukommen und das Ansehen von Solidität zu erlangen, sowohl was die Sujets als auch den Stil seiner Kompositionen betraf. So wurde es möglich, daß sich der durchaus konservative Wilhelm Furtwängler für Hindemiths Oper Mathis der Maler einsetzte und darum eine scharfe Auseinandersetzung mit Goebbels führte. Hindemith indessen blieb im Dritten Reich Persona non grata, weil ihm seine Bürgerschrecks-Zeit nicht verziehen wurde – Hitler kam nie hinweg über die nackte Frau in der Badewanne, die er in Hindemiths Bühnenwerk Neues vom Tage erspähte. Er erhielt Aufführungsverbot und emigrierte schließlich in die Schweiz. Bei Hindemith indes zeigt sich eine Regel, die der deutschen Komponistenszene nicht zur Ehre gereicht. Keiner der namhafteren Komponisten hat von sich aus Deutschland verlassen, weil er die Machenschaften des neuen Regimes nicht mittragen wollte; jede Emigration vollzog sich aufgrund von Repressalien des Staates, in der Regel gegen Juden und Linksgerichtete oder – wie im Falle Hindemith – gegen schlicht mißliebige. Niemand hat mit seiner Emigration ein Zeichen gesetzt, daß er das neue Regime mißachte und keinerlei Berührung mit ihm haben wolle. Dabei muß man den in Deutschland verbliebenen Komponisten zugute gehalten, daß eine Emigration sowohl finanziell als auch organisatorisch und menschlich schwierig war, wie sich später im Falle Goldschmidt noch zeigen wird. Eine einzige Ausnahme zeigt sich von dieser Regel, daß Emigration nur aufgrund von Repressalien geschah: Karl Amadeus Hartmann, von dem noch zu reden ist.


Arnold Schönberg gehört von seinem Geburtsjahr 1874 her eigentlich noch zur älteren Generation, in seinen Kompositionen ab 1909 zeigt sich aber der Umbruch zum 20. Jahrhundert. 1933 ist er der maßgebliche Vertreter der Atonalität und der Zwölftonkomposition und Hauptangriffspunkt der reaktionären Kritik. Die dabei benutzten Schmährufe vom „Musikbolschewismus“ und von der „Entartung“ der Musik belegen schon die Denkfigur einer Symbiose von Antikommunismus und Antisemitismus, wobei Atonalität durch ihren Erfinder Schönberg auch als etwas Undeutsch-jüdisches aufgefaßt wurde. Wiewohl Schönberg von seiner politischen Haltung her eher rechts stand und eine deutsch-national-konservative Haltung vertrat, stellte er für die nationalsozialistische Hetze die Hauptfigur des Musikbolschewismus dar. Seine Amtsenthebung von der Professur für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste erfolgte am 17. Mai 1933.3

3 Dokumente in Joseph Wulf, Musik im Dritten Reich (1966), Frankfurt a. M. 1983, S. 40 f.

Schönberg emigrierte in die USA und konnte dort, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, seinen Lebensunterhalt durch Lehrtätigkeit und den Erlös aus Kompositionen bestreiten. Ohne einen Popularitätsbruch gilt er bis heute als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.



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