- 26 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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folgerichtig, daß die Nationalsozialisten ihn für den Posten des Präsidenten der neugegründeten Reichsmusikkammer auswählen. Sein internationales Renommee soll dem Anerkennungsstreben der neuen Machthaber in Deutschland zuhilfe kommen. Strauss behält diesen Position bis 1935 inne. Die Annahme dieses Postens ist zwar einerseits bedenklich, kann aber nicht als Anpassung an die neue Ideologie oder gar als Unterwerfung angesehen werden. Eher entspringt es der grundkonservativen Haltung Strauss' – eine Widersetzung gegen staatliche Bitten würde der bajuwarischen Gemütlichkeit des Komponisten kaum entsprechen –, außerdem besaß der Komponist eine gewisse Neigung zu Ehren und Anerkennungen, mit denen diese Position verbunden war. Dabei verkennt Strauss die Radikalität der neuen Macht in Deutschland grundlegend, indem er völlig unverständlich der Maßregelung gegenübersteht, daß er seinen jüdischen Librettisten Stefan Zweig gegen einen nicht-jüdischen Textdichter austauschen muß. Und eine Oper, die er mit seinem neuen Librettisten Joseph Gregor produziert, ist in ihrer politischen Aussage bis heute kaum gewürdigt worden: Es ist das fast vergessene Werk Friedenstag aus dem Jahre 1938, dessen Idee noch Stefan Zweig geliefert hatte – mit dem Friedenstag ist übrigens die Verkündung des Westfälischen Friedens gemeint.

Der zweite Komponist der älteren Generation ist Hans Pfitzner. Auch er ist mit mehreren Opern bekannt geworden, so Der arme Heinrich, Die Rose vom Liebesgarten, Das Christelflein und vor allem Palestrina. Er trägt große Mitschuld am Entstehen einer nationalsozialistischen Musikideologie nicht durch seine Werke, sondern durch seine Schriften. Vor allem in seiner Neuen Ästhetik der musikalischen Impotenz aus dem Jahre 1920, verschärft noch im Vorwort zur Neuauflage 1926, hat er Denkstrukturen und Begrifflichkeiten geprägt und gefördert, die später zu Schimpftiraden gegen die avantgardistische Musik und gegen jüdische Komponisten allgemein wurden.1

1 Eckard John, Musikbolschewismus. Die Politisierung der Musik in Deutschland 1918–1938, Stuttgart u. Weimar 1994, S. 58–88.

Was aber seine Musik angeht, so ist diese zwar von ihren Inhalten her deutsch-konservativ und auch von ihrer musikalischen Faktur her eher dem 19. Jahrhundert verpflichtet. Aber man findet bei ihm ebensowenig wie bei Richard Strauss Kompositionen, die irgendeine Ergebenheitsadresse an die neue Partei oder ihren Führer enthalten. Namen solcher Komponisten sind in aller Regel heute vergessen – etwa Georg Blumensaat, Leopold von Schenkendorf, Franz Philipp und die vielen, die Fred K. Prieberg in seinem Buch Musik im NS-Staat2
2 Frankfurt a. M. 1982.

nennt. Es sei denn, sie wären als Kultfigur mit ihrer Schöpfung verewigt worden, wie Horst Wessel.


In der vorhin bezeichneten zweiten Gruppe mit jüngeren, aber etablierten Komponisten sind allen voran Paul Hindemith und Arnold Schönberg zu nennen.



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