Deformation des Lebensweges – Folgen des Nationalsozialismus für Komponistenin Deutschland vor und nach 1945
Die politische Wende zum Totalitarismus in Deutschland 1933 hat Veränderungen für fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens hervorgerufen. Es läßt sich kaum eine Sphäre aufzeigen, die die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts in geradliniger Kontinuität durchlebt hätte. Das gilt bis in den Bereich des Komponierens von Musik hinein, den weite Teile des Bildungsbürgertums in dieser Zeit als völlig unpolitisch ansahen. Daß sich das Paradigma des unpolitischen Künstlers nicht mehr halten ließ, das mußte als Prominentester Thomas Mann bekennen. Das Ende dieses Paradigmas betraf aber nicht nur die Literatur, die als Wortkunst dem ideologischen Diskurs näher zu stehen scheint als die Bildkunst und Tonkunst. Der Hitler-Staat griff auch maßgeblich reglementierend in die Bereiche des Schaffens von Kunstmusik und bildender Kunst hinein. Schon darin, daß dieser Staat das viel intensiver und kategorischer vollzog als eine deutsche Regierung jemals zuvor, zeigt sich sein totalitärer Charakter.
Die Komponisten in Deutschland sahen sich vor Entscheidungen gestellt, die grundlegende Folgen für ihre materielle und künstlerische Existenz nach sich zogen. Dies betraf – mehr noch als die bereits etablierten Komponisten – vor allem die Generation der 25- bis 35jährigen, die am Beginn ihrer Karriere standen. Die erste Entscheidung lag zwischen – zumindest partieller – Anpassung an die neue Ideologie und deren Verweigerung. Denen, die diese Anpassung öffentlich verweigerten, standen wiederum zwei Wege offen: Der unsichere Weg ins Exil oder der riskante Verbleib im eigenen Land. Der Verbleib im Land ging in der Regel mit Aufführungsverbot einher, die jüdischen Komponisten riskierten KZ-Haft, ebenso diejenigen, die sich während der „Systemzeit“ eindeutig zum linken Lager geschlagen hatten.
Auf der anderen Seite stand die partielle Anpassung. Das konnte geschehen aus materiellen Zwängen – eine Familie mußte versorgt werden – oder aus Verkennung der politischen Situation. Das national-konservative Bürgertum stand der oft schrillen neuen Weimarer Kultur distanziert gegenüber. Und ein eher konservativer Komponist mochte hoffen, daß die neue Ideologie dem allzu Schrillen etwas Einhalt gebiete, musikalisch gesprochen vor allem der Atonalität und der Zwölftonkomposition, |