- 21 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Lied, das sie auf zahlreichen Wehrmachtstourneen vorgetragen hat, schließlich auch auf der Gegenseite rasche Verbreitung fand. Der Soldatensender Calais habe 1943 – nach dem Sender Belgrad – jeden Abend ihr Lied gesendet, und Marlene Dietrich sei so angetan davon gewesen, daß sie eine englische Fassung davon angefertigt habe, die nun ihrerseits bei den amerikanischen GIs mit Begeisterung aufgenommen worden sei.37
37 Andersen, a. a. O. (s. Anm. 36), S. 149 u. 190.

Als schließlich der Sunday Express das Lied als Hit of the Allied Armies bezeichnete, reagierte Goebbels mit einem Verbot.38
38 Sperr, a. a. O. (s. Anm. 10), S. [189].

Überdies war die nachdenkliche, vielfach interpretierbare Schlußstrophe des Liedes nicht dazu angetan, die Stimmung der Bevölkerung angesichts der sich abzeichnende katastrophale Lage Deutschlands positiv zu beeinflussen. Lale Andersen, ihrem Roman zufolge hart am KZ vorbeigekommen, erfreute sich überdies nie so recht der Gunst des Joseph Goebbels. So wechselte das Lied sozusagen die Fronten. Das amerikanische Office of Strategic Services nutzte die Popularität des Liedes und der Sängerin Marlene Dietrich propagandistisch und brachte Schallplatten davon in englischer Version in Umlauf. Die Dietrich selbst erkor es in dieser Zeit zu ihrem Lieblingslied und sang es nun bei fast jedem ihrer Auftritte.39
39 Morley, a. a. O. (s. Anm. 33), S. 128 f.

Merkwürdig ist das und eine wiederum irritierende Vorstellung, wenn der von einem Nazi vertonte Text aus dem 1. Weltkrieg schließlich von einer deutschen Emigrantin in englischer Sprache bei amerikanischen Truppen in aller Welt reüssiert.


Womit konnte Zarah Leander, die Sängerin der Gegenseite, die deutschen Soldaten aufmuntern? Ihre Stärke war es, mit ihren Liedern Illusionen zu verbreiten und die Botschaft, daß man am Leiden nicht zerbricht und Verzicht auch zur Stärke werden kann. Über den Volksempfänger war es möglich, die Soldaten an der Front wie auch fast jede deutsche Familie zu erreichen. Am Beispiel eines Titels wie Drei Sterne sah ich scheinen aus dem 1938 gedrehten Film Heimat, komponiert von Theo Mackeben, läßt sich die Wirkungsmöglichkeit eines ihrer Schlager in Kriegszeiten aufzeigen. Der Text von Max Brennert lädt dazu ein, in Gedanken eine Verbindung hinüber und herüber zu den fernen Lieben herzustellen. Der mit Sehnsucht betrachtete Sternenhimmel und die Gedanken an die ferne Heimat, die Gegenstand dieses gefühlvollen, fast klassisch instrumentierten Liedes mit seinem anfänglichen emphatischen Oktavaufschwung sind, drücken eine entsprechend melancholische Stimmung aus. Bei dieser Thematik konnte man davon ausgehen, daß sich die Soldaten in ihren Schützengräben wie auch die Zivilbevölkerung zu Hause, die Vertreibung und Zerstörung ihrer Heimat hinnehmen mußte, bewegt und verstanden fühlten.

Im Rahmen zahlreicher Wunschkonzerte präsentierte sich Zarah Leander aber durchaus auch als attraktive, sinnliche Frau, deren Foto man sich in manchem


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