Lied, das sie auf
zahlreichen Wehrmachtstourneen vorgetragen hat, schließlich
auch auf der Gegenseite rasche Verbreitung fand. Der Soldatensender
Calais habe 1943 – nach dem Sender Belgrad – jeden Abend
ihr Lied gesendet, und Marlene Dietrich sei so angetan davon
gewesen, daß sie eine englische Fassung davon angefertigt
habe, die nun ihrerseits bei den amerikanischen GIs mit Begeisterung
aufgenommen worden sei.37
37
Andersen, a. a. O. (s. Anm. 36), S. 149 u. 190.
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Als schließlich der Sunday Express das Lied als Hit
of the Allied Armies bezeichnete, reagierte Goebbels mit einem
Verbot.38
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Sperr, a. a. O. (s. Anm. 10), S. [189].
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Überdies war die nachdenkliche, vielfach interpretierbare
Schlußstrophe des Liedes nicht dazu angetan, die Stimmung der
Bevölkerung angesichts der sich abzeichnende katastrophale Lage
Deutschlands positiv zu beeinflussen. Lale Andersen, ihrem Roman
zufolge hart am KZ vorbeigekommen, erfreute sich überdies nie
so recht der Gunst des Joseph Goebbels. So wechselte das Lied
sozusagen die Fronten. Das amerikanische Office of Strategic
Services nutzte die Popularität des Liedes und der Sängerin
Marlene Dietrich propagandistisch und brachte Schallplatten davon in
englischer Version in Umlauf. Die Dietrich selbst erkor es in dieser
Zeit zu ihrem Lieblingslied und sang es nun bei fast jedem ihrer
Auftritte.39
39
Morley, a. a. O. (s. Anm. 33), S. 128 f.
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Merkwürdig ist das und eine wiederum irritierende Vorstellung,
wenn der von einem Nazi vertonte Text aus dem 1. Weltkrieg
schließlich von einer deutschen Emigrantin in englischer
Sprache bei amerikanischen Truppen in aller Welt reüssiert.
Womit
konnte Zarah Leander, die Sängerin der Gegenseite, die deutschen Soldaten
aufmuntern? Ihre Stärke war es, mit ihren Liedern Illusionen zu verbreiten
und die Botschaft, daß man am Leiden nicht zerbricht und Verzicht auch
zur Stärke werden kann. Über den Volksempfänger war es möglich,
die Soldaten an der Front wie auch fast jede deutsche Familie zu erreichen.
Am Beispiel eines Titels wie Drei Sterne sah ich scheinen aus dem 1938
gedrehten Film Heimat, komponiert von Theo Mackeben, läßt
sich die Wirkungsmöglichkeit eines ihrer Schlager in Kriegszeiten aufzeigen.
Der Text von Max Brennert lädt dazu ein, in Gedanken eine Verbindung
hinüber und herüber zu den fernen Lieben herzustellen. Der mit Sehnsucht
betrachtete Sternenhimmel und die Gedanken an die ferne Heimat, die Gegenstand
dieses gefühlvollen, fast klassisch instrumentierten Liedes mit seinem
anfänglichen emphatischen Oktavaufschwung sind, drücken eine entsprechend
melancholische Stimmung aus. Bei dieser Thematik konnte man davon ausgehen,
daß sich die Soldaten in ihren Schützengräben wie auch die
Zivilbevölkerung zu Hause, die Vertreibung und Zerstörung ihrer
Heimat hinnehmen mußte, bewegt und verstanden fühlten.
Im
Rahmen zahlreicher Wunschkonzerte präsentierte sich Zarah Leander aber
durchaus auch als attraktive, sinnliche Frau, deren Foto man sich in manchem
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