- 20 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Die Dietrich trat in Militärmontur, mit kurzem Rock und knappem Jackett auf und zeigte ihre berühmten Beine. Sie hatte sich freiwillig bei der amerikanischen Organisation für künstlerische Truppenbetreuung für diese Aufgabe gemeldet. Ihre Songs und Auftritte waren bei den kämpfenden Soldaten höchst beliebt. Sie hielt auch Vorträge in Studienzentren der Armee und besuchte Lazarette. Ihre Kriegsarbeit, so äußerte sie später, sei das einzig wirklich Wichtige, das sie je getan habe. Nach dem Krieg wurde sie mehrfach dafür ausgezeichnet.33

33 Sheridan Morley, Marlene Dietrich. Bildbiographie, Frankfurt a. M. 1979 (= Fischer tb 3652), S. 123.

Die kompromißlose Einstellung der Dietrich gegen den Nationalsozialismus, die in ihrem Auftreten an den gegnerischen Kriegsschauplätzen für alle sichtbar wurde, hatte für ihre in Deutschland verbliebene Schwester Elisabeth schlimme Konsequenzen. Sie wurde in das KZ Bergen-Belsen eingewiesen, das sie als eine der wenigen Überlebenden 1945 wieder verlassen konnte.34
34 Sperr, a. a. O. (s. Anm. 10), S. [182].


Bis zum Kriegsende war die Dietrich im Kriegsgeschäft tätig. Dabei sammelte sie, eigenen Aussagen zufolge, wichtige Erfahrungen für ihre spätere Karriere als Lied-, Schlager- und Chanson-Sängerin, bei der ihr zwar das frühere Image als Vamp immer noch anhing, zunehmend aber in den Hintergrund geriet. Wie sie den Umgang mit ihrem männlichen Publikum erlernte, schildert sie folgendermaßen:

Ich trat 1944 mit ihm [dem amerikanischen Komiker Danny Thomas] zusammen in mehreren Truppenkonzerten auf, und er hat mir alles beigebracht – wie man mit dem Publikum umgeht, wie man antwortet, wenn sie brüllen, wie man ihnen zuspielt, wie man sie zum Lachen bringt. Vor allem lehrte er mich, wie man zu ihnen spricht. Ich führte damals ein paar Zauberkunststücke vor, die Orson Welles mir beigebracht hatte. Wir traten auf dem hinteren Teil eines Lastwagens auf, und eines Abends fingen einige Soldaten an zu gröhlen und unterbrachen mich. Irgendwie wurde ich mit ihnen fertig, und da sage Danny zu mir: „So ist's richtig. Jetzt hast du's gelernt.“ Kurz darauf verließ er mich und ging nach Amerika zurück, und seitdem war ich allein, und so ist es geblieben. Wenn man einmal in der Lage war, die Aufmerksamkeit der Frontsoldaten zu gewinnen, die morgen vielleicht sterben müssen und sich dessen bewußt sind, dann kann man mit jedem Publikum fertig werden.35

35 Morley, a. a. O. (s. Anm. 33), S. 126.


Im Rahmen der Truppenbetreuung festigte sie also ihre zweite Karriere als Sängerin und erarbeitete sich dabei ein breiteres Repertoire, zu dem später auch das Lied Lili Marleen gehörte, mit dem zunächst – auf deutscher Seite – Lale Andersen bekannt geworden war. Den Text schrieb, schon 1915 im 1. Weltkrieg, Hans Leip; 1937 erschien es mit zwei weiteren Strophen in der Gedichtsammlung Die Hafenorgel. Die bis heute bekannte Melodie verfaßte 1938 Norbert Schultze, Parteimitlied und – wie bereits erwähnt – Komponist zahlreicher Kriegsschlager. In ihrem autobiographischen Roman Leben mit dem Lied36

36 Lale Andersen, Leben mit einem Lied, München 3. Aufl. 1981 (= dtv tb 1003).

beschreibt Lale Andersen, wie es dazu kam, daß dieses bei deutschen Truppen so überaus bekannte

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