nach hinten verlagert, erfährt die Harmonik eine Art „Auffüllung“
oder nachträgliche „Motivierung“.
Sieht
man sich in anderen, im zeitliche Umkreis entstandenen Werken um, so findet
man im Andante spianato der Grande Polonaise brillante op. 22
im Semplice-Teil eine dem Hauptthema der Ballade verwandte, allerdings in
Dur stehende Thematik.
Notenbeispiel
27
![](../Henning_gesamt_html_m3f57828e.gif)
Die
Parallelen sind auffällig: Atonikales Beginnen auf der Subdominante,
Chopin-Akkord mit unmittelbar vorgelagertem spannungsreichem Akkord als zentrales
harmonisches Ereignis. Der stark dissonante Spannungsakkord ist im Falle der
Ballade ein Vorhaltsquartsextakkord, dessen oberer Quintton mit einem zusätzlichen
Vorhalt – halbfrei eingeführt – geschärft ist (im Falle
von Takt 35 sogar in regulärer Vorbereitung), wohingegen derjenige des
oberek-artigen90
90 Satzart, Melodik und Rhythmik diese Teiles
ist für oberek-artige Mazurkas von Chopin typisch (vgl. etwa den
Semplice-Mazurek op. 33, Nr. 2 oder andere, diesem Typus zugehörige
Werke aus Opus 6 oder 7); daß dieser Abschnitt fast ohne Ausnahme
von den Interpreten im einem Tempo gespielt wird, bei dem dieser Typusbezug
nicht erkannt werden kann, steht in derselben Tradition wie die ebenso
ausnahmslose Ignorierung der originalen Metronom-Angaben des Andante
spianato, die sich auf die punktierten Viertel bezieht (vgl. dazu
vom Verfasser, Die Metronomzahlen und ihre Deutung. Kolisch, Talsma
und die Folgen, in: Kulturwissenschaften aktuell, hg. von
Reinhold Mokrosch, Osnabrück 1991 [= Schriftenreihe des Fachbereichs
Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Osnabrück;
Bd. 12], S. 228, Anm. 27). Selbst bei einer – wahrscheinlichen
– Gleichsetzung von punktiertem Viertel des Andante mit einem
ganzen Takt des Semplice-Teils verbleibt das resultierende Tempo –
punktierte Halbe = 69 – im Rahmen von Chopins originalen Oberek-Metronomisierungen
(Klindworth hingegen schlägt eine Gleichsetzung von Achtel = Achtel
vor).
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Semplice-
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