- 139 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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nach hinten verlagert, erfährt die Harmonik eine Art „Auffüllung“ oder nachträgliche „Motivierung“.


Sieht man sich in anderen, im zeitliche Umkreis entstandenen Werken um, so findet man im Andante spianato der Grande Polonaise brillante op. 22 im Semplice-Teil eine dem Hauptthema der Ballade verwandte, allerdings in Dur stehende Thematik.

Notenbeispiel 27

Die Parallelen sind auffällig: Atonikales Beginnen auf der Subdominante, Chopin-Akkord mit unmittelbar vorgelagertem spannungsreichem Akkord als zentrales harmonisches Ereignis. Der stark dissonante Spannungsakkord ist im Falle der Ballade ein Vorhaltsquartsextakkord, dessen oberer Quintton mit einem zusätzlichen Vorhalt – halbfrei eingeführt – geschärft ist (im Falle von Takt 35 sogar in regulärer Vorbereitung), wohingegen derjenige des oberek-artigen90

90 Satzart, Melodik und Rhythmik diese Teiles ist für oberek-artige Mazurkas von Chopin typisch (vgl. etwa den Semplice-Mazurek op. 33, Nr. 2 oder andere, diesem Typus zugehörige Werke aus Opus 6 oder 7); daß dieser Abschnitt fast ohne Ausnahme von den Interpreten im einem Tempo gespielt wird, bei dem dieser Typusbezug nicht erkannt werden kann, steht in derselben Tradition wie die ebenso ausnahmslose Ignorierung der originalen Metronom-Angaben des Andante spianato, die sich auf die punktierten Viertel bezieht (vgl. dazu vom Verfasser, Die Metronomzahlen und ihre Deutung. Kolisch, Talsma und die Folgen, in: Kulturwissenschaften aktuell, hg. von Reinhold Mokrosch, Osnabrück 1991 [= Schriftenreihe des Fachbereichs Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Osnabrück; Bd. 12], S. 228, Anm. 27). Selbst bei einer – wahrscheinlichen – Gleichsetzung von punktiertem Viertel des Andante mit einem ganzen Takt des Semplice-Teils verbleibt das resultierende Tempo – punktierte Halbe = 69 – im Rahmen von Chopins originalen Oberek-Metronomisierungen (Klindworth hingegen schlägt eine Gleichsetzung von Achtel = Achtel vor).

Semplice-

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