- 134 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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des Epiloges von Takt 82 ff. in den Takten 86 ff. – die Ersetzung des einzelnen, langen Tones b1 in Takt 82 und 83 durch jene Folge b1-b2 in Takt 87 und 88 –, die dieser Stelle – je nach Spielweise – einen fragend-wehmütigen bis bedeutsam-aufmerksamkeitheischenden Ton80
80 Daß bei der Wiederholung dieses Formteils ein gänzlich anderer Charakter entsteht, ist bereits weiter oben vermerkt worden.

verleiht, ihrerseits ebenfalls eine Oktave ist. Eine Oktave ist auch Rahmenintervall jener sich daran anschließenden Figur, mit der die sinnierende Rückleitung zum Hauptthemenmotiv komponiert ist; in Takt 90 und 92 sowie im gesamten Verlauf dieses Formteils bei seiner Wiederholung ab Takt 188 ist nach dem obersten Ton der Oktav eine stufenweise fallende Linie angefügt, so daß man dort von einer Variante des ersten Hauptthemenmotives sprechen könnte, das nunmehr nur noch eine, statt zwei harmonische Funktionen umschreibt.


Notenbeispiel 22


Es dürfte nunmehr deutlich geworden sein, daß jenes tote Intervall, das zwischen der ersten und zweiten Phrase bei der Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 12 an die Stelle der Quinte tritt, nun eben nicht irgend ein anderes beliebiges Intervall ist, das einfach zur Abwechslung gewählt wurde, sondern eines, das im Hinblick auf die folgenden Teile des Werkes als Element der Konstruktion der Gedanken und ihres Zusammenhaltes gesehen werden sollte; daneben wäre auch zu bedenken, daß dieses Intervall – etwa als gesungenes – seinen eigenen emphatischen Wert hat: es umfaßt einen relativ großen Ambitus. Es ist als Gesangsintervall keines jener Intervalle, die eingängig zu singen sind81

81 Man denke etwa an die Elimination der Oktave beim volksliedmäßigen Zurechtsingen der Zöllnerschen Melodie von „Das Wandern ist des Müllers Lust“.

, wohl aber mit Ausdrucksgestus behaftet; so auch seine Verwendung in der As-Dur-Ballade als Überleitungsgestalt zwischen Haupt- und Seitenthema.82
82 Ein weiteres Beispiel für den expressiven Oktavsprung in gesanglichem Kontext ist der Auftakt zum E-Moll-Prélude op. 28, Nr. 4, der – wie Carl Schachter zu Recht auf Basis der Skizze vermutet (The Prelude in E minor Op. 28 No. 4: autograph sources and interpretation, in: Chopin Studies 2, hg. von John Rink u. Jim Samson, Cambridge, New York u. Melbourne: Cambridge University Press 1994, S. 162 f.) – allerdings erst nachträglich eingefügt wurde. Der Oktavsprung des Auftaktes dieses Stückes dürfte in Korrespondenz zum melodischen Geschehen an der Nahtstelle zwischen erstem und zweitem Formteil in Takt 12 zu sehen bzw. entstanden sein; auch dort ist ein längeres unteres h und ein kürzeres oberes h1 Auftakt zum folgenden langen h1: (c1)-h-(dis1-fis1-d2-c2)-h1-h1.


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