Bevor
nun jedoch weitere Oktavelemente außerhalb des Hauptthemas untersucht
werden sollen, sei kurz eine Bemerkung über die klangliche Realisierung
von analytischen Einsichten wie jenen über einen Spitzentonverlauf oder
vergleichbare Konstrukte eingeschoben. Die Mittel, die zur Verdeutlichung
solcher sich nicht durch natürlichen Oberstimmenverlauf von selbst ergebenden
Linien angewendet werden können – Betonung einzelner Noten, ihre
Verlängerung über die eigentlich vorgeschriebene Dauer hinaus oder
ähnliches –, können in Widerspruch zum eigentlichen Notentext
treten. Es ist dann eine Frage der Abwägung, worauf jeweils verzichtet
werden soll – auf die Vermittlung einer analytische Einsicht oder auf
Texttreue. Ein einziges Beispiel: in einem Konzert in Prag am 30. Juni 1957
spielte Arturo Benedetti-Michelangeli die G-Moll-Ballade77
77 Auf
Compact Disk veröffentlicht unter der Nummer PR 250 042. Der Verfasser
ist sich bewußt, daß die Unterstellung, der Pianist habe
diese übergeordnete Linie verdeutlichen wollen, spekulativen Charakter
besitzt.
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und betonte dabei in auffälliger
Weise die jeweils ersten Noten der fallenden Sekundmotive (d2 in
Takt 8 und 15, g2 in Takt 13, ja selbst das c2 in Takt
6 gehörte dazu) mit einem Decrescendo der sich daran anschließenden
Töne, so daß jene genannten Linienzüge sich durchaus beim Hören
einstellen, zumal er jene von Chopin gesetzten Betonungszeichen auf dem c zu
Beginn der jeweils ersten Hauptthemaphrase in Takt 8, 10, 12 und 16 (wie auch
das Crescendo von Takt 6 nach 7) nicht realisierte. Auffällig ist zudem,
daß in Takt 14 die Töne es2 und d2 sowohl dynamisch
wie agogisch hervorgehoben wurden und in Takt 15 nicht das cis2 –
wie die harmonische Spannung nahelegen würde –, sondern das c2
betont wurde. (Zudem, um die Linie nach vorn zu verlängern, dehnte er in
Takt 6 das f2, so daß sich für den Hörer schon von
dort eine fallende Stufenlinie vom f – wenn nicht gar schon vom ebenfalls
hervorgehobenen a2 in Takt 4 an – über es2,
d2 usw. zum g1 ergibt.) In einem Konzert ist eine solche
Verdeutlichung notfalls auch gegen den Notentext nach Ansicht des Autors nicht
nur durchaus legitim, sondern wünschenswert! (In seiner späteren Einspielung
für die Deutsche Grammophon-Gesellschaft78
78 Als
LP unter der Nummer 2530 236, als CD unter 413 449-2.
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sind denn auch diese Tendenzen
zurückgenommen.)
Zurückkehrend
zur Frage des Oktavintervalles als Bauelement springt in Auge, daß jene
– wiederum „toten“ – Intervalle, die im Seitensatz
die Hauptmotive verknüpfen (Takt 69, 71 und den analogen Stellen), ebenfalls
dieser Kategorie der aufwärtsgeführten Oktaven angehören79
79 Entfernt damit verwandt ist die tote
Oktave zwischen Takt 7 und 8 in der Melodie des A-Moll-Préludes
op. 28, Nr. 2: auch hier sind zwei quinttransponierte Teile zu beobachten
– E-Moll nach H-Moll – und eine Motivik, die in ihrer Quarten-
und Terzstruktur an die Ballade erinnert (u. a. auch das Hauptmotiv
des Präludiums Takt 2 f. an das „Frage“-Motiv der Einleitung
der Ballade Takt 6 f.).
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und darüber hinaus –
wie ja auch die Oktavintervalle in Takt 13 und 14 – mit anschließenden
absteigenden Sekunden (im Seitenthema als „Brückenmotiv“ ausgebildet)
versehen sind. Ferner ist im Rahmen der Motivik der Haupt- und Seitenthemenabschnitte
noch zu bemerken, daß jene in ihrer Wirkung unvergleichliche Hinzufügung
bei der Wiederholung
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