- 131 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Bei den vorigen Betrachtungen hat sich als überzeugend erweisen, daß das Zweitongebilde einer Sekunde durchaus im Kontext dieser Ballade als motivisch bedeutsam einzuschätzen ist. Dies sensibilisiert für die übrigen Sekundkonstellationen des Werkes. Rückwirkend betrachtet ist dann die melodische Figur in der linken Hand Takt 24 f. eben nicht irgend eine beliebige Diminution, sondern eine, die mit der Hauptmotivik zusammenhängt (zwei Sekunden unterschiedlicher Bewegungsrichtung unmittelbar hintereinander). Auch die Sekundbewegung Cis-D in Takt 52 und 53 ist dann als Umkehrung der zudem an derselben Taktstelle befindlichen Sekunde es-d in den vorhergehenden Takten aufzufassen (mit der klanglichen Härte Cis-cis versus d2 in Takt 52 bzw. – weniger scharf – Cis versus d1 im folgenden; Härten, die es nicht wie selbstverständlich bei der Interpretation durch Betonung der obersten Stimme zu kaschieren gilt). Unter die Kategorie „bedeutende“ Sekunden schließlich fallen auch jene Fis-G- bzw. cis-d-Bewegun-gen in Takt 240 f., denen als Gegenbewegung die Sekunden (genauer: Nonen) e1-d entgegenstehen, so daß eine harmonische Ambivalenz entsteht74

74 Insgesamt ist der Abschnitt, vor allem ab seinem Höhepunkt Takt 234, mit jenem ab Takt 48 tonräumlich vergleichbar. Die Figur der rechten Hand in Takt 240 f. korrespondiert mit jener in 208 ff., wobei dort jeweils höchster Ton zweifelsfrei akkordeigen, tiefster in der Regel akkordfremd ist.

: der Ton e1 kann aufgefaßt werden als leiterfremder oberer Nebenton eines G-Moll-Akkordes, der zwischen Grundstellung und Quartsextakkordform wechselt, und seine Lösung jeweils im oktavversetzten d finden, oder aber als akkordeigener Ton eines verminderten Septakkordes g-b-cis-e (bei dem der Ton d einer Erklärung als akkordfremdes Gebilde bedürfte). In beiden Fällen jedoch ist das e1 zusammen mit seinem b und g eine motivisch-harmonische Antizipation der Akkorde der linken Hand in Takt 243 bis 245, wo das Sekundspiel e1-fis1-e1 einen überaus deutlichen Rückbezug auf das vom Hauptthema bestimmte, entwickelnde Geschehen in Takt 201 ff. nimmt und seine Lösung im Dominantakkord mit Vier-vor-Drei-Vorhalt in Takt 246 bis 248 findet. Daß diese motivisch-tonliche Vorausnahme bei einem leitereigenen es in Takt 240 wegen der sonst zu fis1 entstehenden übermäßigen Sekunde es1-fis1 nicht möglich ist, sei hier eigens vermerkt; ob man – vor allem bei einem übergeordneten Deutungskonzept, das die Sekundbewegung es-d zum Zentralereignis erklärt – daran weiterreichende Interpretationen anschließen soll, sei hier nicht entschieden; immerhin: die Opposition e-d versus es-d wird ganz am Schluß des Stückes nochmals aufgegriffen – Takt 257 bringt in seiner zweiten Hälfte die figurative Zerlegung des Akkordes der ersten Takthälfte nach dem Muster des Hauptthemas75
75 Dieser Takt ist zusammen mit dem vorhergehenden seinerseits eine lagenveränderte Wiederholung von Takt 252 f., wobei dort, um in die Terzlage – bei offensichtlich wie auch in Takt 257 intendierter Quartsextakkordwirkung – zu gelangen, ein akkordfremder unterer Nebenton a-A eingeschoben werden mußte; bei Quintlage – Takt 257 – ist dies unnötig, der analoge Ton ist akkordeigen.

und unter Verwendung des Tones es2 bzw. es1, der zweite Klang im Folgetakt hingegen ist wieder ein e4 bzw. e3, das seine Fortführung ins es4 bzw. es3 in den übergeordneten Verlauf einer chromatischen Tonleiter abwärts eingebettet findet.



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