- 127 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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die Überbindung des Schlußtones der Figur sind Elemente, die gewissermaßen den Anschluß an das Hauptthema garantieren. Der nachfolgende Formteil, an den sich dann wiederum Abschnitte anschließen, die ihrerseits mit neuen Sekundmotivkonstellationen arbeiten, sozusagen neue Ideen bringend sind, verzichtet auf eben jene Elemente, die den Rückbezug auf die Hauptthemagestalt gewährleisten sollten: die dynamische Hervorhebung des Oktavgriffes, einschließlich der Verlängerung seiner notierten Dauern macht einen Bezug zwischen seinem unteren Ton und den nachfolgenden Achteln unmöglich, die Streichung der Überbindung verkürzt das nun zur Selbständigkeit gezwungene Motiv an der anderen Seite. Eine Argumentation ex negativo sozusagen. Wollte man hingegen den Gedanken, die Nähe der Figur zum Hauptthema zu unterstreichen, dadurch noch stärken, daß man den Phrasenschluß auf der Eins in Takt 36 – das g1 – zum ersten Ton der neuen Figur machte, so wäre der Punkt erreicht, ab dem von Überinterpretation und auch von einer Veränderung des Chopinschen Textes gesprochen werden müßte: auch wenn die ungewöhnliche Folge von drei aufeinanderfolgenden aufsteigenden Terzen etwa durch Takt 100 legitimiert wäre, würde der Gedanke einer punktuellen Vermittlung zwischen Formteilen überstrapaziert; diese Zusammenziehung von Tönen ließe sich ja einzig in der ersten Hälfte von Takt 36 realisieren, die Tonverschränkung hätte in der Bogensetzung Chopins keinen Rückhalt.65
65 Die Tatsache, daß dann der erste Ton der Figur ein Viertel statt ein Achtel wäre, würde kein unüberwindliches Gegenargument bilden: analog zur Akzentuierung des ersten Tones durch ein Akzentzeichen könnte hier ein agogischer Akzent realisiert sein (Sonderstellung des Anfangs eines Abschnittes, das agogische allmähliche Aufnehmen eines Tempos – ein beliebtes Mittel von Interpreten der romantischen Tradition).


Keine Überinterpretation scheint jedoch der folgende, ebenfalls auf dem Formgesetz der Vermittlung beruhende Gedanke, daß sich die konkrete Gestaltung der Begleitung in Takt 35 aus der Stellung zwischen den Formteilen erklärt.


Notenbeispiel 18



Voraufgehend sind Abschnitte, die durch eine konsequente Handhabung von bestimmten Begleitstrukturen geprägt sind: seit Takt 26 ist der Baß in Oktaven verstärkt, um sich ab Takt 28 nahezu nur noch taktweise in langen Notenwerten zu bewegen, zu denen in der rechten Hand in repetierten Vierteln nachschlagende Akkorde hinzutreten, die manchmal in Anlehnung an das Begleitmuster des


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