- 125 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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zwar lediglich dreistimmig, d. h. basiert im wesentlichen auf parallelverschobenen Sextakkorden60
60 Da leitereigene parallelverschobene Sextakkorde durch Angabe einer Tonart und einer charakteristischen Note, z. B. des Baßtones, hinreichend definiert sind, ist der Verlauf sogar durch die Angabe eines einzelnen Tones pro Halbtakt vollständig festgelegt. Davon gibt es allerdings Ausnahmen.

, seine „Oberflächen“-Beschaffenheit manifestiert jedoch ein ganze Reihe motivisch expliziter Elemente. Das auffälligste ist wohl der Oktavgriff der rechten Hand, der fortgesetzt wird von einem einstimmigen dreitönigen Motiv, das sehr enge Beziehungen zum Hauptthema aufweist – es hat dessen bogenförmigen Verlauf und verwendet dessen zentrale Intervalle, die Terz aufwärts und die Sekunde abwärts. Daneben ist ein weiteres absteigendes Sekundmotiv von Bedeutung: das in der Oberstimme der linken Hand. Es hat jeweils dieselben Töne wie das der rechten Hand, ist aber im doppelten Notenwert gehalten (bedenkt man, daß auch die Oberstimme der linken Hand als bis zum nächsten obersten Akkordton ausgehalten aufgefaßt werden kann, so stimmen sogar die zeitlichen Proportionen: dem Verhältnis Achtel zu Achtel mit an- bzw. übergebundener Viertelnote entspricht jenes aus Viertel und Viertelnote mit gedachter Verlängerung61
61 Eine so charakteristische Überbindung, wie sie die Faktur dieser Stelle in der rechten Hand aufweist – sie wird bei der Wiederholung des Abschnitte ab Takt 40 kupiert –, wäre in der linken Hand aus rein spieltechnischen Gründen unmöglich.

plus einem weiteren Viertel gleicher Tonhöhe im Rahmen des zweiten Segmentes). Beiden Sekundmotiven ist neben der Tonhöhe auch die harmonische Funktion jeweils gemeinsam; dennoch sind getrennt wahrnehmbar: sie sind zeitlich so versetzt, daß die Töne des einen eine Art Nachschlagen der Töne des anderen bewirken. Im Hinblick auf das oben Ausgeführte ist bedeutsam, daß das Prinzip der Augmentation bzw. Diminution von Motiven – der vorläufige Einwand gegen die obige Motivbeziehung – nicht nur im fraglichen Werk als mögliche Kompositionstechnik selbst vorkommt, sondern sogar in zeitlicher Überlagerung mit eben dem Motiv, um das es ging. Berücksichtigt man ferner, daß bei den Oktaven in der rechten Hand zwischen den beiden Teilen eines Taktes ja ebenfalls eine Sekundbeziehung besteht, wobei der Einsatzabstand der Töne den Wert einer punktierten Halben beträgt – also genau jene Dauernwerte aufweist wie das fraglichen Sekundmotiv der zweiten Phrase des Hauptthemas –, so wird auch die Vergrößerung um das Sechsfache durchaus plausibel.62
62 Dem Argument mit der zeitlichen Verschiebung innerhalb des Taktes zwischen den Oktavsekunden und der zweiten Hauptthemaphrase könnte mit dem Hinweis auf die gehörte Taktverschiebung begegnet werden, für die Leichtentritt plädierte (a. a. O. [s. Anm. 13], Bd. 2, S. 6).

Neben dem Vorbehalt des Ungewöhnlichen einer sechsfachen Augmentationen sträubte sich gegen eine vorschnelle motivische Beziehung zwischen erstem und zweitem Ton der ersten Hauptthemaphrase einerseits und der zweiten Phrase selbst andererseits der Sachverhalt der Einbettung des ersteren Motives in einen längeren zusammenhängenden Verlauf; auch dieser Einwand wird mit Takt 36 weitgehend entkräftet. Durch die Verdoppelung des jeweils ersten Tones der zusammenhängenden Achtel in der oberen Oktave findet eine deutliche Separierung zwischen den Tönen statt; abgespalten wird eben das halbkugelige Dreitonmotiv, das nach

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