sind jedoch
nicht gleichwertig: die Sekunde c1-d1 ist von anderem
Rang als jene b1 nach a1 und diese wiederum nicht vollkommen
gleich mit jener anschließenden von a1 nach g1.
Sie sind zu sehen vor dem Hintergrund einer harmonischen Interpretation; die
erste Sekunde teilt mit dem folgende Terzintervall die Kategorie „Bestandteil
eines gebrochenen Akkordes zu sein“, während umgekehrt die nachfolgende
verminderte Quarte derselben Kategorie nur unter dem Konstrukt „Chopin-Akkord“
zuzählt – die Einführung einer weiteren Kategorie „Vorhalt
bzw. akkordfremder oberer Nebenton zu einem anderen akkordeigenen (hier sogar:
demselben Akkord wie auch die vorigen Intervalle zugehörigen) Ton“
ist ebenso denkbar. Neben der Betrachtung der rein sukzessiven Intervalle
können durchaus analyserelevant auch weitere Tonbeziehung berücksichtigt
werden, nämlich solche zwischen nicht unmittelbar benachbarten Tönen,
wobei die sich so ergebende Menge an weiteren Relationen selbstverständlich
nicht zur Gänze auch für die motivisch-thematische Struktur von
Bedeutung ist – ihr Miteinbeziehen wäre jeweils eigens zu reflektieren.
Im vorliegenden Fall sind dies bei den insgesamt 6 Tönen – die
unmittelbar benachbarten nicht mit einbezogen – immerhin 9 (= 4 + 3
+ 2) weitere Relationen, von denen sich nahezu jede als in irgendeiner Hinsicht
musikalisch relevant rechtfertigen ließe. Um dies zu verdeutlichen:
die Relation c1-fis1 etwa als in die Kategorie „zentrale
Leittöne der Dominante“ fallend, die Relation c1-b1
in die von „Ambitus der gesamten Phrase“, c1-a1
ließe sich als Sext-Rahmenintervall nach Reduktion des Leittones begreifen,
das stufenweise in das Sext-Rahmenintervall b1-g1 weitergeführt
wird, c1-g1 schließlich sind die Ecktöne
der Phrase; nicht genug damit: auch die zwischen drittem und fünftem
Ton (fis1-a1) – Vervollständigungsintervall
für den Dreiklang, d. h. Fortsetzung der Terz d1-fis1
– oder drittem und sechstem (fis1-g1) –
ein Intervall, das durch die Doppelbehalsung sogar als manifeste horizontale
Stimme ausgewiesen ist –, selbstverständlich auch die zwischen
viertem und sechsten als das Terzrahmenintervall b1-g1,
das den höchsten und den Schlußton umfaßt und seine stufenweise
Ausfüllung erfährt, selbst die zwischen zweitem und sechsten (d1-g1)
als Verdoppelung des Basses. Wie man anhand dieser Auflistung sieht, gibt
es so betrachtet eigentlich kaum ein Intervall innerhalb der Oktave, das nicht
irgendwie vertreten ist, so daß es – denkt man es zu Ende –
wohl keinen weiteren Verlauf des Stückes geben wird, der nicht in irgendeiner
– gegebenenfalls ein wenig verqueren – Weise vom Hauptthema ableitbar
ist. Das Geschick des Analytikers, ebenso wie des Interpreten (letztlich natürlich
auch des Komponisten) besteht aber nun darin, bestimmte dieser Relationen
sinnfällig zu machen und in ein möglichst überzeugendes Konzept
einzuordnen.55
55 Daß diese Grenzen nicht vorschnell
zu eng gezogen werden sollten, verdeutlicht eindrucksvoll Dieter Schnebels
Analyse des ersten Satzes von Weberns Klaviervariationen (Die Variationen
für Klavier op. 27. Eine Anleitung zum Hören des Werkes,
in: Anton Webern II, hg. von Heinz-Klaus Metzger u. Rainer Riehn,
München: Edition Text + Kritik 1984 [= Musik-Konzepte; Sonderband
[40 a]], S. 179).
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In der Tat herrscht weitgehend
Einigkeit,
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