- 121 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Verlauf seiner Bezugsmöglichkeiten auf eine Tonart beraubt. Die Takte 150 ff. gerieren sich, als seien sie im wesentlichen eine veränderte Wiederholung der Takte 146 ff.: die Faktur, die Lage, ja selbst so charakteristische Einzelheiten wie Akkordterz auf der Eins, die nachfolgend in den Grundton geführt wird49
49 Wohl aus Gründen des Anschlusses, aber auch der Sonderstellung wegen, die in einem ansonsten homogenen Formteil sein Beginn haben darf, steht in Takt 146 der Septakkord auf Es noch in Grundstellung. Im Folgenden jedoch verdichtet sich das „Nachschlagen“ des Baßoktavtones: in der zweiten Hälfte des Taktes ist – wie oben bereits schon einmal angedeutet – die nachschlagende Baßoktave noch Fortsetzung einer Linie, die vom Akkordgrundton auf der 4. Zählzeit ausgeht, sich dann aber zu Beginn des folgenden Taktes aufspaltet in einen untersten Akkordton – das A – einerseits und in einen eigentlichen Baßton – das F –; nach einer Sequenzierung wird schließlich in Takt 148 das Nachschlagen auf beide Taktteile explizit ausgedehnt und beim zweiten die Baßoktave sogar mit Akzentzeichen versehen, in welch letzterer Form es dann den ganzen Takt 149 bestimmt. Für die folgende Formteil-„Wiederholung“ ist nunmehr das Baßmodell: auftaktige kleine Sekunde abwärts mit anschließendem Terzfall vom Taktschwerpunkt zum folgenden Viertel obligatorisch (mit Ausnahme des Formteilbeginns; siehe oben). Chopin – wahrlich „ein Meister der kleinsten Übergangs“. Im übrigen wäre noch festzuhalten, daß das Akkord-mit-nachschlagendem-Baßton-Modell den Gegenpol zu dem im vorigen Abschnitt und auch sonst im Verlauf des Stückes immer wieder vorkommenden Standard-Begleitungsmodell „Baßton auf der Eins mit (ein oder zwei) Akkorden auf der Zwei und der Drei“ – das „Hm-Ta-Tah“ des Walzers – bildet. (Vgl. dazu auch die Begleitungsmodelle der Takte 208 ff.)

, sind in etwa gleich, auch die Harmonik scheint – zumindest was den Taktbeginn betrifft – übereinzustimmen: die Folge Es-Dur, F-Dur, G-Dur. Bei der Wiederholung des Formteils aber ersetzt Chopin den Akkord der jeweils zweiten Takthälfte durch eine Wiederholung des Akkordes der ersten Hälfte; gerade dieser zweite Akkord aber war es, der letztlich den Bezug zur Tonika garantierte – mit anderen Worten: aus der tonalen (bzw. bei Berücksichtigung der Zwischendominanten: gemischttypigen) Sequenz wird eine reale, d. h. eine, bei der bei weiterer Fortführung die gemeinsame Tonart verlassen wird.50
50 Wenn man will, könnte man dies mit einer gewissen Berechtigung eine „atonale“ Sequenz nennen.

Und weitergeführt wird die Sequenz in der Tat: Von Es- über F-, G-, A-51
51 Ab hier entfällt – im Sinne kompositorischer Verdichtung – die interne Wiederholung.

und H-Dur bis zu einem (elliptisch ausgelassenen) Cis-Dur, die komplette Ganztonleiter. Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: das Interessante an dieser Stelle ist die Verzahnung von Harmonik und Motivik/Thematik – unter (fast) Konstanthaltung des einen Parameters (Faktur) wird ein anderer (Harmonik resp. Tonalität) in größerer Freiheit gestaltet.


Da für das eben Behauptete die relative Ähnlichkeit in der Faktur die Voraussetzung bildet, seien die beiden Figurationen noch einander gegenübergestellt. (Für sich betrachtet scheint diese Ähnlichkeit der beiden Fakturen etwa im Hinblick auf die konkrete Oberstimmengestaltung eher geringerer Art zu sein, nicht jedoch, wenn man sich die Differenzen zu den sie umgebenden bzw. den übrigen Formteilen der Ballade vergegenwärtigt.)



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