- 120 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Notenbeispiel 14


Von einem gewissen Interesse ist in dem von dieser Figuration bestimmten Abschnitt und dem ihm folgenden die Harmonik, die dabei aber in so engem Zusammenhang mit Figuration und Motivik steht, daß – obwohl die Harmonik im engeren Sinne nicht der Gegenstand dieser Überlegungen bildet – einige Ausführungen dazu gerechtfertigt erscheinen. Eine harmonische Analyse dieser Abschnitte, die u. a. auf die Tatsache hinweist, daß in etwa Takt 150 ff. die relevanten Baßtöne sich entlang einer Ganztonleiter bewegen, lieferte bereits Witten47

47 A. a. O. (s. Anm. 44), S. 80.

. Von Interesse scheint aber weniger diese Tatsache an sich, als vielmehr die subtile kontextuelle Einbettung, die der Komponist dabei vornahm. Der harmonische Verlauf ist von folgenden Gesichtspunkten getragen: Ausgehend von einer durch kadenzielles Geschehen mit den drei Hauptfunktionen befestigten Tonart Es-dur (Takt 138 bis 145) erfolgte eine Sequenzierung, die im wesentlichen noch auf Es-Dur beziehbar ist: unter Verwendung der Figur des obigen Notenbeispiels erklingen nacheinander die Subdominante, Dominante und Tonikaparallele von Es-Dur, wobei diese leitereigenen Akkorde As-Dur, B-Dur und C-Moll jeweils mit Zwischendominanten versehen wurden, die ihrerseits bereits nicht mehr ausschließlich aus Tönen der Tonart bestehen: die Septakkorde auf Es (mit leiterfremden Des), F (mit a) und G (mit h), wobei die Verknüpfung der leitereigenen Hauptakkorde mit den daran anschließenden Zwischendominanten des nächsten Hauptakkordes zusätzlich durch eine chromatische Baßführung motiviert ist (etwa in Takt 146 f. der Baßton von As-Dur über G, Ges nach dem in Takt 147 nachschlagenden Baßton des [Zwischen-]Dominantseptakkordes auf F). Die anschließende Rückleitung zur Tonika, die in der Oberstimme als abwärtsgeführte chromatische Leiter ausgebildet ist (und somit zur „kugeligen“, langsam aufsteigenden chromatischen Linie des Sequenzabschnittes korrespondiert) erfolgt in Takt 149 durch die Kadenzbestandteile Mollsubdominante mit sixte ajoutée (als Terzquartakkord der II. Stufe) und Dominantseptakkord.48
48 Durch die Tiefalteration der Subdominantterz wird eine chromatische Linie C (Grundton der Tonikaparallele), Ces (Mollterz der Subdominante) und B (Grundton der Dominante) ermöglicht, die der Chromatik im Vorhergehenden entspricht; diese Baßführung wird im Folgenden noch zweimal bedeutsam: erstens Takt 156 (His bzw. C), 157 (Ces), 158 (B) und zweitens – vgl. dazu die Ausführungen oben im Zusammenhang mit der Figur von Takt 158 ff. – Takt 162 bis 166.

Der besondere Witz ist nun, daß Chopin unter dem Deckmantel einer variierten Wiederholung den sequenzierenden

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