So besehen, ist der Kern
beider Themen identisch, nämlich die Fortführung des Chopin-Akkordes
in die Tonika, d. h. eines Dominantseptakkordes mit der Sexte anstelle der
Quinte, die – worauf der Jubilar stets hinwies – in der Funktionssymbolik
mit der Zahl 13 zu versehen sei, um ihre essentielle Position über der
Septe zu verdeutlichen: im einen Fall als Moll-, im anderen als Dur-Fassung.
Beim Rekurs auf die Harmonik anstelle der bloßen Intervallfolge zur
Bestimmung der ästhetischen „Einheit“ werden zudem für
den Themenkopf des Hauptthemas die Gesamtheit seiner Melodietöne, nicht
bloß deren drei bzw. vier einbezogen: sie sind als Brechung eines Akkordes
zu verstehen; ja mehr noch: das Liegenlassen der verschiedenen Töne bis
zum Taktende, gefordert nicht nur durchs Pedal, sondern mittels Doppelbehalsung
ausnotiert, ordnet den ganzen Komplex einer klavierspezifischen Gestaltungsidee
unter, dem eines in Notenwerten ausnotierten Arpeggios.
Wichtiger
aber als die Gemeinsamkeiten sind die spezifischen, wenn auch im Sinne kontrastierender
Ableitung aufeinander beziehbaren Differenzen: neben dem Gesamtaufbau der
jeweiligen Themen – also ihre Kombination mit weiteren Phrasen bzw.
Motiven27
27 Auffällig die konstruktiv-harmonische
Opposition: beim ersten Thema ist das erste Motiv tonhöhenmäßig
und harmonisch (zunächst) identisch wiederkehrend (bei jeweils
bezüglich seiner Lage und Harmonik variiertem unmittelbar anschließendem
zweiten „Sekund“-Motiv) – beim Seitenthema ist das
erste Motiv bei seiner unmittelbaren, durch ein Sekundbrückenmotiv
verbundenen transponierten Wiederholung harmonisch instabil.
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, ihre Syntax und ihr Klaviersatz
– ist auch musiktheoretisch ein Unterschied. Im Falle des Hauptthemas
erfolgt die Auflösung des charakteristischen Intervalles – der ajoutierten,
genauer: die Quinte ersetzenden Dominantsexte resp. der Terz über dem Grundton
– stufenweise abwärts (die traditionellere, schon bei Beethoven oder
Schubert nachweisbare Form28
28 Zwei Beispiele, von denen das eine auf
das andere Bezug nimmt, sind die Anfänge zweier langsamer Sätze,
der eine aus Beethovens Sonate C-Moll op. 10, Nr. 2, der andere aus
Schuberts Des-Dur- bzw. Es-Dur-Sonate D 567/568. Der Chopin-Akkord im
engeren Sinne als selbständiger Akkord findet sich bei Chopin beispielsweise
in der Ballade op. 38, Takt 38 ff.
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); die Akzentuierung des fraglichen
Tones resultiert aus der Bewegungsumkehrung, sie ist „Gipfelton“
der Figur. Im Falle des Seitenthemas erscheint zunächst die Dominantquinte,
die sodann in die Sexte weitergeführt wird, um danach unmittelbar in den
Grundton der Tonika zu springen: harmonietechnisch gesprochen somit eine (im
fraglichen Fall allerdings auf „relativ“ schwerer Zeit stehende)
abspringende Wechselnote.
Ist
es für den Interpreten nahezu unmöglich, die Gemeinsamkeit des Erfindungskernes
zwischen Haupt- und Seitensatz durch spielgestalterische Maßnahmen dem
unvorbereiteten Hörer zu vermitteln – es sei den, er griffe zu
Verfahren
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