- 85 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Zur Erinnerung: Sie befinden sich in einem Vortrag, und der heißt Pierrot und die Folgen, und folglich folgen jetzt noch einige Folgen.

Maurice Ravel, 2. April 1913: »Wundersames Projekt für ein Skandalkonzert.
(a) Pierrot lunaire – Schönberg
(b) Mélodies japonais – Stravinkij
(c) Poésies de Mallarmé – Ravel«

William Walton – Façade (Gedichte von Edith Sitwell) 1922/23

Paradox formuliert: hier sind zwei Engländer, die das österreichisch-deutsch-belgische Vorbild unter starken russischen Einflüssen französisieren – ein rezitierender Sprechgesang von experimentellen Texten zu kammermusikalischer Basis, ja, aber mit Verfremdungs- und Montage-Techniken und prinzipieller Offenheit gegenüber Elementen der Unterhaltungsmusik, was schon die Erweiterung des Instrumentariums um Saxophon, Trompete und Schlagzeug verdeutlicht.

Sprung zu Pierre Boulez: Le marteau sans maître für Alt und 6 Instrumente nach René Char von 1954 ist ohne den Pierrot nicht denkbar (soo schrecklich tot ist Schönberg also offensichtlich doch nicht). Wichtiger aber noch die erste Mallarmé-Improvisation aus Pli selon pli, für Sopran und 7 Instrumente, und diese 7 ist mit 14 und 21 Zahlengrundlage verschiedener formaler Implikationen; das verweist nicht nur aufs Mallarmé-Sonett mit der üblichen Vers-Struktur 4/4/3/3, sondern auf Pierrot = 3 mal Sieben, Opus 21 (und das recht bald nach Schönbergs Vertonung von Gedichten aus Georges Siebentem Ring im 2. Streichquartett).

Sprung jetzt nicht vorwärts zu Ligeti und anderen, sondern historisch zurück. Da wir hier in der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« sind und zugleich immerhin hier und heute auch die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft ihre Jahrestagung hat, möchte ich abschließend noch einige Bemerkungen zur ganz spezifisch kompositorischen Pierrot-Rezeption Eislers machen.

1924, im gleichen Jahr wie Alban Berg und Anton Webern, setzt sich der erheblich jüngere Hanns Eisler erstmals in einem abgeschlossenen Werk mit der Zwölftontechnik seines Lehrers Arnold Schönberg auseinander. Doch Palmström (Studien über Zwölftonreihen) ist, obwohl offensichtlich durch den verehrten Lehrer selbst angeregt, sogleich eine kritische Auseinandersetzung mit seiner Ästhetik. Eisler verwendet bis auf wenige Ausnahmen (Verzicht auf Klavier und alternierende Baßklarinette) die Besetzung von Pierrot lunaire, und auch die melodramatische Rezitation wird travestierend aufgegriffen. Der »albernen Provinzdämonik« der Giraud-Hartleben-Texte – so Eisler, Sie erinnern sich – stehen die scharfzüngig-epigrammatischen, absurd-satirischen


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