Zwickau, die Robert Schumann-Stadt, soll auch weiterhin Mittelpunkt einer
tatkräftigen Robert-Schumannpflege sein. In regelmässigen Veranstaltungen
soll des Meisters Werk wie bisher unter Mitwirkung heimischer
und auswärtiger Solisten, Orchester- und Chorvereinigungen würdige
Aufführungen finden, das Schumann-Museum und die Schumannstiftung
weiter ausgebaut, eine volkstümliche Schumannbiographie in Auftrag
gegeben sowie der Zusammenhalt der Schumannfreunde durch regelmässige
Herausgabe von »Schumann-Blättern« gefördert werden. Es besteht der
Plan, das gesamte Lebenswerk des Meisters im Verlauf der nächsten Jahre
einmal lückenlos, also auch die Stiefkinder der Schumann’schen Muse, zur
Aufführung und durch einführende Worte Leben und Werk dem Hörer
nahezubringen, eine Ehrung, wie sie wohl noch selten einem Meister der
Tonkunst zuteil geworden ist. Neben den Werken Robert Schumanns soll
aber auch der jungen Komponistengeneration ein Platz eingeräumt werden,
soweit sie nach Werk und Gesinnung vor Schumanns Urteil in Ehren
bestanden haben würde.
Die Gipfelungen dieser Veranstaltungen sind die alljährlich wiederkehrenden, um den 8. Juni als den Geburtstag Schumanns sich gruppierenden »Robert Schumann-Feste«, deren nächstjähriges von Hans Pfitzner geleitet werden wird, der als schöpferischer Musiker wie als Interpret dem Meister besonders nahe steht und der schon im Jahre 1912 mit dem ersten deutschen Robert Schumann-Fest in Strassburg vorbildlich und bahnbrechend für Schumann wirkte. »Es waltet in jeder Zeit ein geheimes Bündnis verwandter Geister. Schliesst, die ihr zusammengehört, den Kreis fester, dass die Wahrheit der Kunst immer klarer leuchte, überall Freude und Segen verbreitend«. In Erfüllung dieses letzten Wunsches unseres Meisters bitten wir Sie, unter Verwendung des beiliegenden Werbeheftes Ihren Beitritt zur Deutschen Robert Schumann-Gesellschaft zu erklären.17
Wie zuvor schon deutlich geworden, ging es demnach um die Mobilisierung und Indienstnahme der kulturellen Ressourcen der ,geistigen‘ Nation; es ging darum, Musik und Person Schumanns in die geistige Kriegführung einzuspannen. Bezeichnenderweise wird im Einleitungssatz dieses Aufrufs der ernannte Präsident Johst nicht etwa in seiner künstlerischen Eigenschaft als Dichter oder in seiner kulturell-administrativen Funktion als Chef der Reichsschrifttumskammer betitelt, sondern als Staatsrat (Ehrentitel) und SS-Gruppenführer, mithin als hochrangiger Vertreter jener NS-Organisation, die als ideologisch zuverlässigste und schärfste bekannt war und ist. Der mit Militärmetaphorik angereicherte Text (»Werbefeldzug«, »Banner«, »Kampf«) weist in seiner Argumentationsstruktur die gängigen Stereotypen nationalsozialistischen Denkens auf. Gegen westlichen Materialismus und östlichen Bolschewismus wird ein völkisches Schumann-Bild gesetzt, das vor allem den Vitalismus (»gesund«) als Gradmesser für die Kunst begreift. Neue Werke der jungen Komponistengeneration haben sich in Fragen der Förderung einer Prüfung zu unterziehen, in der ihre »Gesinnung« nach dem vorgeblichen Urteil des Meisters selbst bestehen müsse, wobei das Urteil Schumanns, so ist zweifellos zu folgern, mit dem der nationalsozialistischen Machthaber kongruent gedacht war. Pointiert könnte man formulieren: die posthume Erhebung Schumanns zum Zensor in musikideologischen Angelegenheiten. |